Foto: Astor

... in der ein Kinobesuch wieder zum Erlebnis und einem sogar das Auto geparkt wird.


Man legt sich zurück in das weiche Leder, platziert die Beine auf einem Hocker, man spürt, wie es sich der Geist in der Horizontalen gemütlich macht. Das Licht zieht sich über die Sitzreihen langsam zurück, als sauge es jemand mit einem riesigen Staubsauger auf, erhellt die letzten Sekunden der realen Welt, die schemen- haft erkennbar bleibt. Gleichzeitig beginnt die Leinwand zu glühen. Man nippt ein letztes Mal an seinem Getränk und hebt dann ab in diese Zwischenwelt, auf deren Inszenierung sich das Kino so wunderbar versteht.

Der Besucher der Astor Film Lounge am Berliner Ku'damm darf sich darüber freuen, dass er als Kino-Ästhet wieder ernst genommen wird. Endlich. Nach all den Jahren der proletarischen Multiplex-Dröhnung, die einherging mit dem Siegeszug der Popcorn-Blockbuster, einem Abstumpfen des Kino-Empfindens und eingeschlafenen Füßen. Hauptsache lauter, hieß das Motto. Man nimmt selbst das Wort Luxus gern in den Mund, um dagegen die Schönheit der Film Lounge in der deutschen Hauptstadt zu beschreiben. Der Besucher wird empfangen von einer rot-braun-goldenen Atmosphäre der klaren, häufig geschwungenen Formen und subtilen Zurücknahme. Der Kinosaal besticht durch eine herrliche Weite, die von Farben und Beleuchtung extrem gut betont wird. Wie man hört, werden die Lichtkünstler von LichtKunstLicht demnächst für eine passende Beleuchtung des Saals sorgen. "Wir sind ständig bemüht, die Atmosphäre zu verbessern", sagt die für den Umbau zuständige Innenarchitektin Anna Maske, die auch zu berichten weiß, dass man versucht habe, die Grundidee des denkmalgeschützten Baus "zu erhalten und gleichzeitig zu verdichten." Das erste Kino war 1948 in dem Haus an Berlins bekanntester Straße eröffnet worden. Aus den Fünfzigern stammte schließlich das Konzept des Hauses. Demnach ist der Saal als eine Muschel konzipiert. "Der Zuschauer soll sich tatsächlich als Perle in einer Auster fühlen", erklärt Maske.

Die Zeit ist vielleicht reif dafür, das Kino als Erlebnis und Feier des besonderen Moments auferstehen zu lassen. Als einen fein ausstaffierten Rückzugsort der Sehnsüchte und Träumereien in Zeiten der Krise. Dafür zahlt man gern auch ein paar Euro mehr. Das dachte sich wohl auch Hans-Joachim Flebbe, ausgerechnet Gründer des Multiplex-Flagschiffes Cinemaxx, als er die Idee für das Astor hatte. Allerdings muss auch das Astor aus wirtschaftlichen Gründen den unheilvollen Spagat zwischen solch duseligen Action-Langweilern wie der Dan-Brown-Verfilmung Illuminati und dem kleinen, feinen Minderheiten-Film schlagen. Es ist zu wünschen, dass dem Astor das für viele Jahre gelingen wird. (Ingo Petz / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.6.2009)