Mathis Huber: "Ja, auf 'Porgy and Bess' wäre ich nie gekommen, das liegt doch schon eigentlich außerhalb des künstlerischen Bereichs von Nikolaus Harnoncourt."

Zur Person:
Der Grazer Mathis Huber (Jahrgang 1958) studierte Oboe und Musikwissenschaft. Er hat als Musikkritiker gearbeitet und war Dramaturg an der Grazer Oper. Seit 1990 ist er Intendant der Styriarte und seit 2002 auch Intendant des Grazer Orchesters Recreation.

Foto: Kmetitsch

Huber war durchaus überrascht, als Nikolaus Harnoncourt Gershwins "Porgy and Bess" vorschlug. Ljubisa Tosic sprach dem Chef der Styriarte.

Standard: Wessen Idee war "Porgy and Bess"? Wohl eher die von Nikolaus Harnoncourt?

Huber: Ja, auf das wäre ich nie gekommen, das liegt doch schon außerhalb seines Bereichs. Doch eigentlich begleitet ihn das Stück seit seiner Kindheit. Sein Vater hatte einen Bruder in New York, Rene Harnoncourt, der hat immer die neuesten Noten nach Europa geschickt. So kam auch Porgy schon 1935 frisch aus der Druckerei nach Graz. Ich denke, er macht das, weil er immer Dinge sucht, die ihn auf eine neue Art fordern.

Standard: Wie entstehen denn die Styriarte-Programme? Wohl immer im Dialog mit Harnoncourt?

Huber: Das ist in jedem Jahr anders. Es gibt Jahre, in denen wir schneller sind, ein Thema haben, mit dem wir ihn inspirierend konfrontieren. Es gibt Jahre, in denen möchte er ein Projekt realisieren, und wir bauen dann thematisch Passendes dazu. Ich bin eigentlich sehr zufrieden, wenn ich so etwas wie Porgy auf den Tisch bekomme.

Standard: Die Rechte für "Porgy" zu bekommen, war nicht leicht. Eine Frage des Geldes?

Huber: Ja, es muss aber nicht nur ums Geld gehen. Wir hatten komischerweise mit Porgy länger zu kämpfen, weil eine andere Fraktion von Produzenten die Absicht hatte, das Stück auf Tournee zu schicken, womit es auch Graz gestreift hätte. Der Verlag hatte das für diese Tour reserviert und für uns gesperrt. Ob das nun eine Sensation würde, dass Herr Harnoncourt sich dem Werk widmet - das hat keine Rolle gespielt.

Standard: Mit Jordi Savall und Pierre-Laurent Aimard haben Sie zwei große Künstler als Stammgäste. Keine Angst vor einem gewissen Gewöhnungs- und Sättigungseffekt beim Publikum?

Huber: Also, wenn ich eine Produktion von Savall bekommen kann, dann nehme ich sie mit Freude. An das Problem der Gewöhnung würde ich denken, wenn die Menschen bei der Kassa stehen und stöhnen würden: "Nicht schon wieder ..." Das ist aber nicht der Fall.

Standard: Was empfinden Sie denn so als die schwierigen, heiklen Aspekte Ihrer Tätigkeit?

Huber: Heikel wird es immer, wenn so wie im Vorjahr mit Idomeneo oder heuer mit Porgy etwas ins Festival kommt, das die ökonomischen Dimensionen erschüttert. Schließlich ist die Styriarte in ihrer budgetären Grundgestalt ein Konzert-Festival mit einem Jahresbudget von etwa 2,6 Millionen Euro. Wenn eine szenische Produktion wie Idomeneo ins Festival kommt, ist das ganz toll. Andererseits bewegt sich das in der Größenordnung von zwei Millionen Euro, und es ist sehr spannend, das mit Zusatzfinanzierungen hinzubekommen.

Standard: Was ist speziell an der Styriarte, neben der Tatsache, dass sie einen wichtigen Dirigenten wie Harnoncourt präsentieren kann?

Huber: Die Künstler finden hier ein Publikum vor, das hochgebildet ist. So ergibt sich für sie tolles Feedback. Künstler fühlen sich verstanden. Die nächste Sache: Hier geben Küstler ein Statement zu einer bestimmten Fragestellung ab, die sie interessiert, mit der sie aber normalerweise als Interpreten nicht konfrontiert werden. Das führt mitunter zu interessanten interpretatorischen Ergebnissen, weil man ein Werk anders anlegt, wenn man es unter dem Aspekt einer bestimmten Gesamtthematik eines Festivals betrachtet. Das macht Künstlern großen Spaß, sie reisen hier nicht einfach an, sie nehmen hier an einem Diskurs teil. Das ist hoffentlich eine Spezialität der Styriarte, wenngleich ich mich freuen würde, wenn es überall Brauch wäre, thematisch mit Musik umzugehen. Aber wir wissen, dass das nicht der Fall ist.

Standard: Passen die Rahmenbedingungen des Festivals gut zu Ihren Vorhaben?

Huber: Beispielsweise ist die Raumsituation in Graz kolossal günstig, was die Qualität anbelangt. Wir haben Räume mit den richtigen Dimensionen. Ein qualifiziertes Projekt für 300 Leute zu veranstalten, mit erträglichen Preisen, - sagen wir einmal zwischen 20 und 40 Euro - macht das Veranstalten aber eigentlich schwer, weil sich die Sache nie rechnet. Ohne öffentliche Unterstützung könnte man nicht arbeiten. Sonst müssten die Dimensionen so sein wie im Großen Salzburger Festspielhaus.

Dann aber wäre das nicht mehr das, was uns vorschwebt. Die Intimität der Veranstaltungen ist ja ein wesentlicher Teil unseres Erfolgs. Einen Liederabend in einem Saal für 1000 Leute zu machen - so etwas halte ich für absurd. Diese Relationen stimmen bei der Styriarte. Und es ist irgendwie schön, dass es möglich ist, etwas zu machen, das ein bisschen aus der Zeit ist, bisschen weg ist von dem Sich-knallhart-rechnen-Müssen. Das ist aber immer wieder zu verteidigen. Manchmal heißt es schon: Mozart muss sich selber tragen. Ich verstehe überhaupt nicht, was an der These richtig sein soll. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2009)