Seit Jahren und Jahrzehnten sprechen Politiker des rechten Spektrums über "Asylantenschwemme", "Ostküste" oder "Radikalislamismus". Wahlplakate und Statements mit antisemitischer und ausländerfeindlicher Tendenz sind nicht neu in Österreich. Was also ist der Grund, dass gerade Nationalratspräsident Martin Graf das Fass zum Überlaufen brachte? Unterscheiden sich seine Aussagen zu Ariel Muzicant und seine guten Kontakte zur rechtsextremen Szene tatsächlich so sehr von dem, was die FPÖ während der letzten Legislaturperioden vertreten hat?

Nein, meint Politologe und Extremismus-Experte Anton Pelinka im Gespräch mit derStandard.at. "Strache war auch schon 2006 so, jetzt nur auf Graf zu schauen ist eine taktisch willkürliche Selektivität". Dass genau jetzt eine Welle der Empörung wegen rechter Umtriebe ausbreche, sei nicht unbedingt nachzuvollziehen, so Pelinka. Man müsse Aussagen und Aktionen wie die Grafs zwar anprangern, so der Experte, aber: "Ich bin gespalten, ob es sinnvoll ist, bei jeder dummdreisten Provokation laut aufzuschreien. Moralische Empörung ist nicht durchzuhalten, wenn man dauernd moralisch empört ist".

Unaufgeregt, aber entschieden

Wie sollten Politik, Medien und Zivilgesellschaft auf rechte Provokationen reagieren? "Es braucht im Umgang mit solchen Aussagen eine Gratwanderung zwischen Unaufgeregtheit und Entschiedenheit", so Pelinka. Die Toleranz gegenüber grenzwertigen und grenzüberschreitenden Aussagen habe sich in den letzten Jahren verändert, meint Pelinka. "Eine gewisse Abstumpfung ist leider da".

Generell hält der Politologe nichts davon, Martin Graf als Ausnahmeerscheinung in der FPÖ zu betrachten. Die Linie der FPÖ sei klar, und das schon seit vielen Jahren -  Martin Graf schlage also keineswegs aus der Art. "Ich sehe nicht, was Graf von der ganzen FPÖ unterscheidet - Graf ist die FPÖ." (az, derStandard.at, 4.6.2009)