Heiß umfehdet, wild umstritten: Die österreichische Kunstmanagerin Elisabeth Schweeger wechselt von Frankfurt nach Hannover.

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Standard: Sie haben vor Ihrer achtjährigen Ära als Intendantin des Frankfurter Schauspiels vor allem interdisziplinär gearbeitet: mit Blick auf die Gegenwartskunst, auf die Philosophie. Ist demgegenüber das Management eines Stadttheaters nicht sogar ein Rückschritt gewesen?

Schweeger: Wieso Rückschritt? Mein Weg war immer ein Zickzackkurs, mein Aufenthaltsort das "Dazwischen". Und letztlich ist auch ein Schauspielhaus ein solcher Freiraum, der nicht den Alltagsregularien unterliegt und damit der Kreativität keine Grenzen setzt. Mich leitet der Glaube, dass ich im Rahmen dieser Institutionen, die sich die Gesellschaft geschaffen hat, etwas bewirken kann.

Standard: Sie konnten sich diesen Glauben über die letzten acht Jahre hinweg bewahren?

Schweeger: Über 30 Jahre (lacht). Der Kunstbegriff war für mich immer breit angelegt, weil er bildende Kunst, darstellende Künste, Musik, Performance mit einschließt. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten und Räume, in denen etwas zu denken und zu entwickeln ist. Ich begann mit Theater, um mich dann weiter der bildenden Kunst, der Architektur und der Lehre zu widmen. In der Folge habe ich Projekte angestoßen zwischen Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft. Ich stelle mich gerne Herausforderungen und baue auf den gemachten Erfahrungen auf. Bei den Festspielen in Herrenhausen sollen Musik, Philosophie und bildende Kunst in eine barocke Gartenanlage integriert werden. Eine Konstellation, wie man sie sich "neuer" gar nicht denken kann. Ein Festival dort zu machen ist Aufbauarbeit. Nach zwei Jahren wird man prüfen, ob es greift.

Standard: Ist nicht überhaupt ein Festival, bei dem man auf Zeit ein Modul bauen kann, das zukunftsträchtigere Modell gegenüber den alten "Riesentankern"?

Schweeger: Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht an einer richtigen Krankheit laborieren, der "Festivalitis". Die Globalisierung greift mit rasender Geschwindigkeit in das kulturelle Leben ein. Vor lauter Invasionen kommen wir gar nicht mehr zum prozesshaften Arbeiten. Ein Verlust für die Gesellschaft, weil wir die geistigen Fundamente nicht mehr weiterentwickeln.

Standard: Kein Blick zurück in Zorn?

Schweeger: Als ich nach Frankfurt kam, hieß es: "Was macht denn die da? Die ist doch auf bildende Kunst spezialisiert." Kunst ist aber in allen ihren Spielarten eine Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Dabei gibt es unzählige Varianten. Und Frankfurt hat die Öffnung des Theaters sehr gut angenommen.

Standard: Frankfurt zehrt von seiner fortschrittlichen Tradition. Ist diese nicht längst aufgebraucht?

Schweeger: Für mich ist es ein Ort, in dem man sehr gut darüber nachdenken kann, welchen Stellenwert die Kunst heute noch haben kann. Frankfurt steht für eine Urbanität, die einem "come and go" ausgesetzt ist und kein sesshaftes Bürgertum mehr kennt. Ihre Zukunftschance liegt gerade im "Dazwischen" - sich einerseits kulturell der Modernität verpflichtet zu haben und andererseits den Marktmechanismen des Finanzstandortes Folge leisten zu müssen. Frankfurt könnte mit seinem letztlich sehr unverblümten Umgang mit den Anforderungen der heutigen Zeit modellhaft für die Zukunft sein.

Standard: Waren Sie also zu früh in Frankfurt am Main?

Schweeger: Ich bin doch nur ein Steinchen in dieser Entwicklung. Ich bin jetzt seit neun Jahren hier beschäftigt und hatte den Eindruck: Die Stadt wächst minütlich! Damit meine ich nicht unbedingt die Hochhäuser, sondern das urbane Klima, das Selbstverständnis.

Standard: Was würden Sie heute anders machen?

Schweeger: Ich würde anders operieren, weil ein anderer Humus da ist. Damals hatte ich auf ein Terrain einzugehen, in dem alle mit allen stritten und sich über die Presse Unfreundlichkeiten ausrichteten. Das Haus musste in eine GmbH überführt werden, die Strukturen waren genauso wie Personal und architektonischer Bestand desolat. Zudem stellte ich fest, dass die Moderne in diesem Theater schon lange nicht mehr stattgefunden hatte. Heute herrscht ein gutes Klima: Man spricht wieder über Kunst und nicht über kulturpolitischen Filz. Fehler macht man immer, aber im Großen und Ganzen bin ich meiner inhaltlichen Linie treu geblieben.

Standard: Sie würden wieder auf Hausregisseure wie Wanda Golonka oder Armin Petras setzen?

Schweeger: Für Frankfurt waren sie gut in dieser Zeit. Ich suche zu allererst konkret mit meinen Künstlern nach der Haltung, nach der gesellschaftsrelevanten Aussage.

Standard: Sie haben ja auch Stars wie Thalheimer verpflichtet.

Schweeger: Oder Gotscheff, Braunschweig, Nel, Alvis Hermanis, Bosse. Und wir haben auch Leute aufgebaut, die jetzt weiterziehen.

Standard: Und nach Herrenhausen und den "KunstFestSpielen"? Wollen Sie dann wieder ein Theater leiten?

Schweeger: Warum nicht? Wir waren ein erfolgreiches Team. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Printausgabe, 3. 6. 2009)