Ein Beispiel der neuen Medikamentengeneration: Avastin verhindert die Gefäß-neubildung von Krebs-zellen. Mit Chemo-therapie hilft es auch bei bestimmten Brustkrebsarten.

 

Foto: Roche

30.000 Teilnehmer, 4000 Präsentationen und Vorträge, allein das Programm des 45. Jahrestreffens der Asco am Pfingstwochenende füllte 379 Buchseiten: Die viertägige Konferenz in Florida bestätigte einmal mehr, dass Amerika den "War against Cancer" nicht aufgibt. Richard Nixon hatte den Krieg gegen die Krankheit 1971 ausgerufen, in keiner anderen Gesellschaft ist Krebs so omnipräsent. Rundfunk- und TV-Werbung, Plakate, Events - Information über Krebserkrankungen gehört zum Alltag. Entsprechend groß sind Erwartungen und Hoffnungen.

Die Krebsforschung hatte zwar bei der Asco-Konferenz keine Wunderwaffen anzubieten, aber einen "Paradigmenwechsel", wie Asco-Präsident Richard L. Schilsky die Konzentration der Forschung auf patientenorientierte Therapien ("Personalized Cancer Care") nannte. "Die richtigen Medikamente für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit" müsse man den Krebskranken anbieten.

Gezieltere Behandlung

"One size fits all", der gängige Ansatz der Krebstherapie der letzten Jahrzehnte, sei "nicht optimal". Eine Einsicht, die Hellmut Samonigg, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Medizinischen Universität Graz, am Rande der Konferenz bestätigte: "Früher haben wir quasi mit der Gießkanne über die ganzen Karzinome drübergeschüttet."

Durch die neue Generation der Krebsmedikamente könnten Patienten nun gezielter behandelt werden. Für Samonigg ist es ein "Riesenschritt, dass es für manche Therapien Indikatoren gibt, welche Patienten man damit nicht behandeln soll".

Ziel der "personalisierten Behandlung": Die neue Medikamentengeneration - monoklonale Antikörper, die das Tumorwachstum aufhalten sollen, indem sie auf Wachstumsfaktorrezeptoren wirken (Wirkstoff Trastuzumab bzw. Handelsname Herceptin) oder die Gefäßneubildung verhindern (wie Bevacizumab bzw. Avastin) - solle nur bei ganz bestimmten Tumorarten ganz bestimmter Patienten eingesetzt werden.

Dazu sei, so der medizinische Direktor von Roche, Nico Andre, im Gespräch mit dem Standard, "wachsendes Wissen über Zellbiologie wichtig, weil es uns erlaubt, diese Unterschiede zu identifizieren und unterschiedlich zu behandeln". Denn Krebs, die "komplexe und hochvernetzte Erkrankung", habe je nach Tumorart eine Vielzahl verursachender Faktoren.

Bei der Asco-Konferenz wurden mehrere Studien präsentiert, die Kombinationstherapien, aber auch Antikörper-Therapien ohne Chemotherapien als erfolgversprechend sehen. So verspricht man sich von Herceptin, bislang bei HER2-positivem Brustkrebs erfolgreich eingesetzt, auch bei inoperablem Magenkrebs Lebensverlängerung, wenn es in Kombination mit Chemotherapie gegeben wird.

In Verbindung mit dem zelltötenden Wirkstoff T-DM 1 kann Herceptin, so eine Phase-II-Studie, auch bei fortgeschrittenem Mammakarzinom mit einer HER2-Überexpression eingesetzt werden. HER2-negativer Brustkrebs wiederum kann durch die Behandlung mit Avastin in Kombination mit Chemotherapien länger progressionsfrei gehalten werden, ergab die Phase-III-Studie Ribbon-1.

Erste positive Signale bei der Behandlung von malignen Melanomen lieferte eine Phase-I-Studie mit einem Medikament, das gezielt das mutierte BRAF-Protein angreift, das bei 60 Prozent der Hautkrebserkrankungen vorkommt.

Das Leben um einige Wochen oder Monate durch teure Behandlungen zu verlängern ist nicht unumstritten. Hellmut Samonigg: "Die Kostendiskussion ist zwar berechtigt, aber trotzdem falsch, denn wir gewinnen auf diese Weise Erkenntnisse für die vorbeugende Therapie." Soll man Krebs künftig nicht mit allen Mitteln bekämpfen, sondern als chronische Erkrankung sehen und als solche behandeln, wie in der jüngsten Ausgabe des Magazins Nature der Radiologe Robert A. Gatenby vorschlug? Samonigg: "Ziel muss immer noch die Heilung sein."

Heilung durch Bewegung

Die kann, so retrospektive Studien, die Jennifer A. Ligibel vom Dana-Farber Cancer Institute präsentierte, auch ohne großen chemischen Aufwand geschehen. Regelmäßige körperliche Betätigung (drei Stunden die Woche) nach einer Brustkrebs- oder Dickdarmkrebsoperation senke die Gefahr, wieder Krebs zu bekommen, um die Hälfte. Samonigg: "Solche Ergebnisse erzielen wir mit den besten Medikamenten nicht." (Jutta Berger aus Orlando, DER STANDARD/Printausgabe 3.6.2009)