"Es ist zu wenig Geld im Spiel": Jürgen Mittelstraß. 

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Standard: Welche Fehler im Unigesetz (UG) 2002 müssen aus Sicht des Wissenschaftsrats bei der anstehenden UG-Novelle behoben werden?

Mittelstraß: Es waren keine großen Fehler. Wir haben dafür plädiert, dass das Rektorat jederzeit handlungs- und entscheidungsfähig sein muss. Das ist derzeit zum Beispiel bei der Curricula-Entwicklung nicht der Fall. Da muss die Unileitung eingebunden werden. Nicht dass der Senat Lehrpläne beschließt, und das Rektorat muss sie finanzieren und kann es nicht. Auch die Vereinfachung des Berufungsverfahrens ist nötig. Das war furchtbar kompliziert.

Standard: Der Wissenschaftsrat ist sehr umtriebig an den Unis, Sie waren grad in Salzburg. Ist das schon die "Bedarfserhebung" für das künftige Studienangebot, wie ein kolportierter UG-Entwurf behauptet?

Mittelstraß: In keiner Weise. Das muss eine Ente sein. Umtriebig sind wir in dem Sinne, dass wir an einem Entwicklungskonzept für den tertiären Sektor arbeiten und intensive Gespräche führen - Perspektive 2025. Auftrag des Wissenschaftsrats ist es von Anfang an, das gesamte System zu begleiten, zu analysieren und mit Empfehlungen zu versehen. Das tun wir.

Standard: Was steht in diesem Entwicklungskonzept - welche Fächer angeboten werden, wie viele Plätze?

Mittelstraß: So detailliert nicht. Wir werden Empfehlungen abgeben, wie die Teilsysteme - Unis, Pädagogische Hochschulen, Fachhochschulen, Privat-Unis - in Zukunft miteinander kooperieren sollten. Im Augenblick steht alles wildwüchsig nebeneinander. Dann werfen wir einen Blick auf das Fächer- und Disziplinenspektrum, unter dem Gesichtspunkt, ob es den modernen Anforderungen, vor allem den europäischen Entwicklungen entspricht. Dabei wird es sicher auch zu Standortempfehlungen kommen. Aber das hat nichts mit einer Bedarfserhebung zu tun.

Standard: Es gibt Überlegungen, dass in Zukunft nicht jedes Fach an jeder Uni angeboten werden soll?

Mittelstraß: Ja. Bereinigung aber im Sinne einer Optimierung. Nehmen Sie ein kleines Fach, das in gleicher Weise an sechs Unis angeboten wird. Da wird man sich überlegen müssen, ob dieses Fach nicht wirkungsvoller in Forschung und Lehre arbeitet, wenn man es auf drei Standorte konzentriert, ohne dass da Ressourcen verlorengehen.

Standard: Ist es denkbar, Studien, die vielleicht nicht mehr an einer Uni oder Fachhochschule angeboten werden, Privat-Unis zu übertragen? - Auch das wird kolportiert.

Mittelstraß: Nein. Es ist eine feste Position des Wissenschaftsrats, dass zu den wesentlichen Aufgaben der Unis die Pflege der Fächer und Disziplinen gehört - unabhängig von Bedarfsfragen.

Standard: Die Hochschülerschaft fürchtet am meisten quantitative Zugangsbeschränkungen. Ab wann soll beschränkt werden, und wie?

Mittelstraß: Wir empfehlen, ganz allgemein Zulassungsregeln einzuführen, und dabei bleiben wir. Zulassungsregeln stehen nicht primär unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung, sondern der Prüfung von entsprechenden Eignungen und der Beratung. Vermieden werden muss, dass die Studierenden unter Bedingungen eines freien Zugangs blind in Studiengänge rennen, die sich unter Umständen erst sehr viel später für sie als ganz ungeeignet erweisen.

Standard: Soll jede/r, die/der einen Bachelor macht, automatisch und ohne irgendwelche Bedingungen einen Master anschließen können?

Mittelstraß: Nein. Wir halten Zulassungsregelungen auch für die Masterphase für geboten.

Standard: Auch für die PhD-Plätze?

Mittelstraß: Ja. Jede Uni, jedes Graduierten-Kolleg muss sich Klarheit darüber verschaffen, wie viele Plätze überhaupt zur Verfügung stehen, damit eine qualitätsvolle Ausbildung gewährleistet ist, und dann die Plätze ausschreiben. Eine Bewerbungssituation beim Eintritt in diese Phase ist unter Qualitätsgesichtspunkten unabdingbar.

Standard: Wie soll die Lücke zwischen Studienangebot und Nachfrage in bestimmten Fächern in Zukunft reguliert werden? Soll das Ministerium die Platzzahl vorgeben? Oder soll der Rektor sagen, so viele Plätze kann ich finanzieren?

Mittelstraß: Es geht nur im Zusammenwirken beider. Wir fordern seit langem, Österreich müsse sich einmal Klarheit darüber verschaffen, wie viele ausfinanzierte Studienplätze überhaupt da sind. In jedem Fall kann das Problem nur gemeinsam von Ministerium und Unis gelöst werden. Das Instrument dafür ist die Leistungsvereinbarung. Wir empfehlen in diesem Sinne die Einführung einer klaren Studienplatzfinanzierung. Dann kann es immer noch sein, dass auf einen finanzierten Studienplatz zwei oder drei Studierende kommen. Doch dann herrscht wenigstens Klarheit über das, was noch zu tun ist.

Standard: Haben die Unis vielleicht einfach zu wenig Budget? Es gibt Rettungsschirme für Banken, Verschrottungsprämien für den Autohandel - nur für die Unis scheint sich nichts und niemand zu finden.

Mittelstraß: Tatsächlich ist zu wenig Geld im Spiel. Auch ist es so, dass sich die Mittel, die den Unis dankenswerterweise doch in erheblicher Höhe zukommen, sehr schnell reduzieren, wenn man die Kompensation der Studiengebühren und die Finanzierung des Kollektivvertrags mitbetrachtet. Insgesamt gesehen, denke ich, sind wir momentan mit einem blauen Auge davongekommen. Auch wenn man sich ein noch klareres Bekenntnis gewünscht hätte, dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sozusagen antizyklisch in die wirkliche Zukunft - und Bildung und Wissenschaft sind die Zukunft - investiert würde. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 3.6.2009)