Primär geht es bei der Ostopathie um die Anregung zur Selbstheilung.

Foto: Andreas Kainz

Andreas Kainz ist seit 1992 der Leiter der Abteilung für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Wilhelminenspital. Als Diplomosteopath hat er auch die Leitung dse Zentrums für medizinische Osteopathie und Wirbelsäulenerkrankungen inne.

Foto: Andreas Kainz

„Patienten die vom Schulmediziner mit der Diagnose - ‚Damit müssen sie leben' - kommen, sind mir am liebsten", erzählt Andreas Kainz, Leiter der Abteilung für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Wiener Privatklinik und Präsident der Österreichischen Ärztegesellschaft für Osteopathie. Da wo die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, fängt für ihn als Osteopathen die Arbeit erst an.

Schmerzpatienten und Menschen, die unter unerklärlichen Brustsymptomen leiden, zählen zu häufigen Beschwerdebildern in der osteopathischen Praxis. So mancher Patient wird dabei infolge normaler Laborwerte, Herzparameter und unauffälliger psychiatrischer Anamnese vom klassischen Mediziner zum Hypochonder gemacht. „Oft handelt es sich um ein rein funktionelles Problem im Bereich der Brustwirbelsäule", weiß Kainz, der seinerseits Störungen im Organismus Störungen findet, die sich mit Hilfe konventioneller Untersuchungsmethoden nicht aufstöbern lassen.

Die Verschränkung von Hülle und Inhalt ist es also, die den Osteopathen vornehmlich interessiert. Denn so wie die Brustwirbelsäule gelegentlich Herzbeschwerden macht, kann umgekehrt ein inneres Organ eine Funktionseinschränkung am Bewegungsapparat erzeugen. Der Osteopath beurteilt von außen was sich drinnen im Körper tut und verwendet als diagnostisches Werkzeug dabei nur seine Hände.

Berührung mit Zauberhand?

Mitnichten, denn hinter diesem Hauch von Magie, steckt ein Fasziensystem, das sämtliche Organe und Gewebe im menschlichen Organismus untereinander verbindet. Dieses Netzwerk aus Bindegewebe zeigt sich für die Verlagerung von Schmerzen, Spannungen oder Funktionsstörungen an andere Körperregionen verantwortlich. Der Osteopath weiß es für sich zu nützen und behandelt nicht selten an einer völlig anderen Stelle, als es die Symptomatik ursprünglich erwarten ließe.

Nun gut, auch dem manuellen Mediziner, Chiropraktiker und Physiotherapeuten ist die Behandlung mit den Händen vertraut. Der Unterschied zur Osteopathie ist dennoch gegeben. „Dem Osteopathen stehen zahlreiche Techniken zur Verfügung, dadurch ist es ihm möglich sehr diffizil zu arbeiten", so Kainz. Große Manipulationen wie sie der Chiropraktiker, im Volksmund auch Knocheneinrenker genannt, macht, sind hier allerdings nicht erforderlich. Oft genügen bereits kleine Gelenkseinstellungen um dem Körper zu seinem ursprünglichen Gleichgewicht zu verhelfen. Eine feine, sehr subtile Arbeit, die sich für jede Altersgruppe eignet und selbst Erkrankungen wie die Osteoporose von einer Behandlung nicht ausschließt.

Anregung zur Selbstheilung

„Wunderheiler ist der Osteopath nicht. Er gibt dem Körper nur die Information, wie er sich selbst wieder gesund machen kann", nimmt Kainz der Osteopathie noch den letzten Zauber. Konkret geht es, wie bei vielen anderen komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden, um die Anregung zur Selbstheilung. Sie macht es auch erforderlich größere zeitliche Abstände zwischen den einzelnen Behandlungen einzuhalten, damit das Gewebe die erhaltenen Informationen umsetzen kann.

„Ein guter Osteopath respektiert die Größe des Gesamtsystems und sieht sich selbst nur als Mittel zum Zweck", wird Kainz abschließend philosophisch, um dann noch zu betonen wie wichtig eine fundierte und langjährige Ausbildung ist. Der Begriff Ausbildung ist dabei, so Kainz, nicht ganz korrekt, denn tatsächlich handelt es sich bei der Osteopathie um eine Fortbildung und keine Berufsausbildung im eigentlichen Sinne. In Österreich, wie in den meisten anderen europäischen Ländern auch, ist deshalb eine physiotherapeutische Grundausbildung oder eine Medizinstudium als Vorraussetzung zwingend. (Regina Philipp, derStandard.at, 16.06.2009)