Teheran/Wien - Eine antischiitische Bombe im vorwiegend sunnitischen Zahedan in Belutschistan, ein Anschlagsversuch in einem aus der arabischen Provinz Khuzestan kommenden Flugzeug: Weniger als zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen im Iran drängt sich die Frage "Cui bono?" auf: Wem nützt es beziehungsweise ist das gut oder schlecht für Amtsinhaber Mahmud Ahmadi-Nejad, auf dessen Abwahl viele in und außerhalb des Iran hoffen?

"Schlecht für Ahmadi-Nejad", widerspricht Walter Posch von der Landesverteidigungsakademie in Wien der Annahme, in Zeiten der Unruhe könnten die Iraner automatisch hinter der bestehenden Ordnung zusammenrücken. Denn die Vorfälle stellten Ahmadi-Nejad bloß, wobei er große Schwierigkeiten habe, einen Schuldigen zu definieren: "Es gibt im Iran die Generalregel, niemals eine ethnische oder andere Minderheit pauschal zu beschuldigen." Es waren also nicht "die Sunniten, die Belutschen, die Araber" . Der Behauptung der iranischen Regierung, die USA würde hinter den Anschlägen stecken, folge im Iran jedoch niemand, sagt Posch.

Der Iranist meint, dass Ahmadi-Nejad sein Wählerpotenzial ausgeschöpft habe, und verweist auf die relativ guten Umfragewerte von Mohsen Rezaie, der die Stimmen der mit Ahmadi-Nejad unzufriedenen Konservativen abräumen könnte. Dennoch sieht Posch Ahmadi-Nejad längst nicht geschlagen.

Die USA haben die iranischen Vorwürfe indes schärfstens zurückgewiesen: Wenn die USA vorhätten, die iranischen Ethnien und Konfessionen aufeinanderzuhetzen, müssten sie sich wohl oder übel Al-Kaida-naher Gruppen bedienen, und das sei auszuschließen, meint auch Posch.

Die iranische Paranoia kommt aber keineswegs von ungefähr. Immer wieder äußern sich US-Politiker in diesem Sinne, aus Unbedarftheit oder mit Absicht, zuletzt etwa die demokratische Abgeordnete Jane Harman Anfang Mai, als sie vor der israelischen Lobby-Organisation AIPAC sagte: "Es gibt viele verschiedene Bevölkerungsgruppen im Iran, und eine auf der Hand liegende Strategie - die ich für gut halte - ist es, diese Gruppen auseinanderzubringen."

Harman zog ihre Äußerung nach scharfer Kritik zurück. Sie solle an den Bürgerkrieg im Irak denken und daran, was ethnische Zerfallserscheinungen im Iran nicht nur für diesen, sondern für die ganze Region - man denke etwa an Pakistan - bedeuten würden, wurde sie von Trita Parsi, dem Präsident des National Iranian American Council, aufgefordert. Das Ziel von US-Präsident Barack Obama sei eine Stabilisierung der Region, nicht eine weitere Destabilisierung.

Weiters werden die iranischen Ängste geschürt durch Hinweise auf noch unter der Regierung von George W. Bush beschrittene "andere Strategien" , nachdem die Militärschlagoption beiseite gelegt wurde. Dazu kommt die Tatsache, dass die USA sich als Schutzherr der oppositionellen iranischen Mojahedin-e Khalq gerieren, die zuerst unter Saddam Hussein, aber auch nach 2003 weiter aus dem Irak heraus im Iran agierten.

Die Vorfälle in Belutschistan und Khuzestan könnten auch die Spannungen zwischen dem Iran und der arabischen sunnitischen Welt verschärfen, nicht zum ersten Mal würde diese verdächtigt, die Sunniten im Iran aufzuhetzen. Das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden islamistischen Staaten Iran und Saudi-Arabien ist durch die iranischen Atomambitionen heute schärfer denn je. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2009)