In der Presse war zuletzt zu Lesen: "Geld out, Glück in" (18. Mai 2009). Bewirkt "die Krise" Wunder und bewegt die Mehrzahl der Österreicher jedweden Geschlechts, weniger an Moneten als an Immaterielles zu denken? Ist "Gesundheit" und "Freundschaft" plötzlich wirklich wichtiger als "Gehaltszettel" und "Networking"? Gemäß dem Linzer Market-Institut und diversen Glücksforschern offenbar schon.

Das Konzept "kognitiver Dissonanz"

Zieht man zur Erklärung des Befunds psychologische Theorien der Rechtfertigung heran, landet man bei Leon Festingers Konzept "kognitiver Dissonanz" und deren Erweiterung durch Elliot Aronson. Demnach entsteht beim Individuum ein Spannungszustand, wenn zwei psychologisch inkonsistente Kognitionen zur gleichen Zeit auftreten und mit dem Selbstkonzept konkurrieren.
Wenn also die Kognition "Ich bin dick" auf die Kognition "Dicke Leute werden leichter krank" trifft und ich gerne gesund bleiben möchte, beunruhigt mich das und setzt Energie frei, um Änderungen anzustreben. 

Kognitionen ändern sich leichter als Taten

Da es aber wesentlich einfacher ist, dafür meine Kognitionen zu ändern, als die Umstände, die zu ihnen geführt haben, anzupassen (auf die Ernährung achten, mehr Sport machen usw.), neigen Menschen dazu, auf der Ebene der Gedanken zu verzerren: in unserem Beispiel durch die Verniedlichung des Dickseins ("Eigentlich bin ich nur ein bisschen mollig") oder die Herabsetzung des Zusammenhangs zwischen „Dicksein" und "Krankheit" ("Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast" usw.).

Ähnliches gilt wohl auch für die Bewertung eigener Karriereziele. Wenn die Kognition "Ich verdiene gut" auf die Kognition "Viele andere verlieren ihren Arbeitsplatz" trifft, lenkt man sich womöglich gerne ein wenig selbst ab ("Mir ist aber Glück viel wichtiger"). Hauptsache, mir geht es gut dabei: Ein kognitiver Geizhals, der nicht wirklich eine Präferenzänderung anstrebt, aber gerne so tut, als ob.  (Thomas Schneidhofer*, DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.5., 1.6.2009)