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Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf sieht seine Partei als Opfer des "antifaschistischen Linksterrorismus".

Foto. APA/Fohringer

Die Frontalattacke des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) gegen den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, hat am Mittwoch für Empörung im Parlament gesorgt. Graf hatte Muzicant indirekt als "Ziehvater des antifaschistischen Linksterrors" (siehe Zitiert) bezeichnet und ihm vorgehalten, die Demokratie abschaffen zu wollen. Diese Vorwürfe erschienen in der Neuen Freien Zeitung der FPÖ und wurden flugs übers Internet verbreitet - auch auf www.alpen-donau.info, wo sich Neonazis vernetzen: Dort wurde über Muzicant als "Immobilienhai" und "Vertreter der ewigen Wanderschaft" gegeifert.

Muzicant hatte sich an Kanzler, Vizekanzler, Nationalratspräsidium und Klubchefs von SPÖ, ÖVP und Grünen gewandt und gefragt, "was ein Präsident des Österreichischen Nationalrats noch alles tun und sagen kann, bevor ihm das Misstrauen ausgesprochen wird und hier unmissverständliche Konsequenzen gesetzt werden" .

Es dauerte ein paar Tage, aber am Mittwoch verschärften sich die Reaktionen im Stundentakt - speziell bei der SPÖ, die Grafs Wahl ins Nationalratspräsidium mitgetragen hatte. Wiens Bürgermeister Michael Häupl sagte: "Diese Äußerungen sind aufs Schärfste zu verurteilen und eines Demokraten unwürdig."

Dann meldete sich Klubchef Josef Cap mit einem Hinweis auf das Strafgesetzbuch, das die Verächtlichmachung und Beschimpfung von Religionsgemeinschaften unter Strafe stelle. Einer ersten juristischen Expertise im Hohen Haus zufolge erfüllten die Aussagen Graf zu Muzicant diesen Tatbestand. Da Graf auch im Laufe des Tages nicht einmal daran gedacht habe, seine Anschuldigungen zurückzunehmen, sei es nun an der Zeit, dass dieser sein Amt zurücklege.

Kanzler Werner Faymann meldete sich aus Brüssel zunächst mit einer weichen Stellungnahme: "Ich halte es für ausgeschlossen, dass jemand, der im Präsidium des Nationalrats ist, eine derartige Entgleisung an den Tag legt."

Rücktrittsaufforderungen

Grünen-Chefin Eva Glawischnig kritisierte Faymanns Zurückhaltung: "Das war doch schon bei Grafs Wahl absehbar. Er selber schafft ein Klima der politischen Gewalt, er praktiziert offen Antisemitismus. Faymann sollte mindestens seinen Rücktritt verlangen."

Das tat Faymann am späteren Mittwochnachmittag - gleichzeitig mit dem auch in Brüssel weilenden Außenminister Michael Spindel-egger (ÖVP). Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) will eine Verfassungsmehrheit dafür gewinnen, dass ein Mitglied des Nationalratspräsidiums von zwei Dritteln der Abgeordneten abgewählt werden kann.

Während die Grünen nach einem anfänglichen Nein gegen eine Abwahlmöglichkeit umschwenkten - Graf habe den "antifaschistischen Grundkonsens" der Republik seitens der FPÖ in Abrede gestellt - kam vom BZÖ und der ÖVP ein dezidiertes Nein zu Prammers "nicht ausgereiftem" Abwahl-Vorstoß. Er sei "Anlassgesetzgebung".

Gleichzeitig verurteilte VP-Chef und Vizekanzler Josef Pröll Grafs Aussagen erneut. "Derartige Provokationen haben offenbar System. Ich halte das für verantwortungslos und gefährlich" . Eine explizite Rücktrittsaufforderung an Graf gab es von Pröll zwar nicht, aber: "Von Dr. Graf erwarte ich, dass er weiß, was er jetzt zu tun hat."

Die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung "aufs Schärfste" von Grafs Aussagen gegen Muzicant. Das BZÖ brachte einen Alternativtext vor.

In der FPÖ gab es kein Einsehen. Graf dachte gar nicht an Rücktritt, und Parteichef Heinz-Christian Strache sprach von einer "Hetz- und Hexenjagd gegen die FPÖ" . Graf sei das Opfer, er "soll offenbar zum Täter umstilisiert werden". Muzicant gieße seit Jahren Öl ins Feuer und verweigere den Dialog. (Conrad Seidl, Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2009)