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In vielen Cohousing-Siedlungen gehören gemeinsam genutzte Infrastruktur-Einrichtungen, ökologische Baustoffe, Kompost-Toilettensysteme und Car-Sharing zum Standard-Repertoire

Foto: AP/Jens Meyer

Cohousing ist ein amerikanischer und skandinavischer Trend, der nun auch in Österreich Wellen schlägt: Immer mehr Menschen sehnen sich nach ökologischer Lebensweise unter gleichgesinnten Nachbarn - Von Wojciech Czaja

"Mein Leben hat sich gravierend verändert, seitdem ich hier in Gänserndorf lebe", erzählt die 36-jährige Michaela Pichler. Sie ist Bewohnerin und Obfrau der ersten so genannten Cohousing-Siedlung, die in Österreich realisiert wurde. "Der Alltag wird nicht mehr allein gelebt, sondern in der Gemeinschaft. Der soziale Kontakt zu den Mitbewohnern ist stärker als in jedem noch so kleinen Dorf."

Vereinsmäßig organisiertes Wohnmodell

Cohousing ist ein Trend aus den USA sowie aus dem skandinavischen Raum und bezeichnet ein vereinsmäßig organisiertes Wohnmodell mit zweierlei Prämissen: Leben in der Gemeinschaft einerseits, bewusst nachhaltiges Bauen und Wohnen andererseits. Vor allem letzterer Aspekt geht weit über die übliche Niedrigenergie- und Passivhaus-Bauweise hinaus. Sogar ökologische Baustoffe, Kompost-Toilettensysteme, gemeinsam genutzte Infrastruktur-Einrichtungen und Car-Sharing gehören in vielen Cohousing-Siedlungen zum Standard-Repertoire.

Ergänzung zum traditionellen Einfamilienhaus

Zurück nach Gänserndorf. Entstanden sind die 32 Wohnungen auf Initiative des lokal ansässigen Architekten Helmut Deubner. "Ich habe in meinem persönlichen Umfeld beobachtet, wie rasch sich Lebensweise und Wohnformen in den letzten Jahren gewandelt haben", sagt der Architekt, "als Ergänzung zum traditionellen Einfamilienhaus wollte ich daher ein Projekt ins Leben rufen, in dem die Menschen in enger Nachbarschaft und in engem sozialen Zusammenhalt miteinander leben können."

"Der Anfang ist hart"

2005 wurde die Siedlung "Lebensraum" fertiggestellt, doch bis es soweit war, mussten Architekt und zukünftige Bewohner einen langen Atem beweisen. "Der Anfang ist hart", erinnert sich Deubner, "man hat eine gute Idee und muss dann unglaublich viel Kraft und Kapital investieren, bis die Sache wirklich läuft."

"Leute mussten den Grundanteil erwerben"

Mit den ersten Interessenten, die einzig und allein über Mundpropaganda zusammengetrommelt wurden, fixierte man die ersten Verträge. "Die Leute mussten den Grundanteil erwerben", erklärt Deubner, "das war für mich als Projektentwickler die Sicherheit, dass sie nicht irgendwann wieder abspringen." Nach zwei Jahren voll Elan und Engagement fand sich mit dem niederösterreichischen Bauträger NÖSTA dann auch der richtige Realisierungspartner.

Außergewöhnlich selbstorganisiertes Idyll

Heute ist "Lebensraum" ein außergewöhnliches Idyll in der österreichischen Wohnlandschaft. Die Bewohner organisieren ihre eigenen Musikstunden, Tanzfeste und Yogagruppen. In der warmen Jahreszeit gibt es einmal in der Woche sogar einen eigenen Biomarkt. Und das Highlight: "30 Bewohnerinnen und Bewohner nehmen unter der Woche immer an einem gemeinsamen Abendessen teil", sagt die Obfrau Michaela Pichler. "Wir sind in einem Radl. Einmal kocht man für alle, dann kann man sich 29 Tage lang genüsslich bekochen lassen."

Ökologisches Nichtpendeln

Zwei weitere Cohousing-Prokekte sind bereits in Planung. In Wölbling bei Krems soll bis Mitte 2011 die Öko-Siedlung "Pomali" für rund 60 Bewohner entstehen. Der Impetus ist der gleiche: "So wie wir heutzutage wohnen und leben, verschwenden wir nicht nur unglaublich viele Ressourcen, es lässt auch viele Menschen sozial verarmen", sagt Initiator Martin Kirchner. Ein wichtiger Schwerpunkt von "Pomali" ist die Miteinbeziehung von Arbeitsplätzen, um das Pendeln langfristig einzudämmen.

Ökodorf mit Waldkindergarten entsteht in Güssing

Das wohl ambitionierteste Projekt ist jedoch das so genannte "Keimplatz Ökodorf", das ab Sommer 2010 im Bezirk Güssing errichtet werden soll. Bis 2014 soll Wohnraum für 150 Menschen entstehen.


Soch das "Keimblatt Ökodorf" geht über reines Cohousing weit hinaus. "Wir bauen ein ganzes Ökodorf mitsamt Waldkindergarten, Gemeinschaftshaus und der nötigen Nahversorgung", so der zuständige Projektkoordinator Ronny Wytek. Auf rund 40 Hektar Land entsteht auf diese Weise eine mehr oder weniger autarke Siedlung, die sich sogar in landwirtschaftlicher Hinsicht selbst versorgen wird. (Wojciech Czaja, DER STANDARD Printausgabe 23/24.5.2009)