ModeratorIn: Wir begrüßen Hannes Müllner, Spitzenkandidat der JuLis, im Chat bei uns und bitten die UserInnen um Fragen!

Hannes Müllner: Servus, grüße euch. Freue mich auf eure Fragen!

Roberta_blanka: Was ist euer Wahlziel?

Hannes Müllner: Prinzipiell wollen wir unser liberales Mandat im Europaparlament halten. In zweiter Linie wollen wir auch einen liberalen Neubeginn signalisieren.

shalom_aleichem: Was unterscheidet die Liberalen von den Grünen. Sind letztere nicht schon liberale Kraft genug?

Hannes Müllner: Ich persönlich bin von den Grünen enttäuscht. Ich habe auch lange grün gewählt und schätze Alexander van der Bellen sehr. Allerdings kann ich mich mit manchen Positionen einfach nicht identifizieren. Die Grünen haben ein übergeordnetes biologistisches Weltbild, sie haben auch eine andere Einstellung zu Marktwirtschaft und Wettbewerb. Konkret bei der EP-Wahl hat mich die Abwahl Voggenhubers enttäuscht, das war kein Signal eines tatsächlichen PRO-Europa-Kurses.

Roberta_blanka: Alexander Zach - unterstützt er euch? Habt ihr Kontakt zu Heide Schmid?

Hannes Müllner: Ich schätze Heide Schmidt hoch, sie ist eine scharfe Analytikerin und der Schritt, den sie 1993 mit der Gründung des LiFs getan hat, war mutig. Die JuLis haben aber mit dem alten LiF soweit keinen Kontakt.

ca24: Hallo, höhre heut zum ersten mal von den jungen Liberalen, für was steht ihr, wie unterscheidet ihr euch zum LIF?

Hannes Müllner: Wir JuLis sind aus dem LSF (Liberales Studentinnen- und Studentenforum) hervorgegangen. Das LSF pflegte ein Naheverhältnis zum LiF, war aber immer eine eigenständige Organisation. Das LiF ist derzeit in einem Reformprozess begriffen, wenn er abgeschlossen ist, werden die JuLis beurteilen, wie sie zum LiF stehen.

andreaslindinger.at: Wie war die Reaktion des LIF auf eure Kandidatur, nachdem das LIF angeblich selbst einen EU-Wahlkampf vorbereitet und mit der Unterstützung von Resetarits gerechnet hatte. War euer Antreten mit dem LIF abgesprochen?

Hannes Müllner: Es hat einige Diskussionen zu diesem Thema gegeben. Besonders nachdem die ÖVP Ernst Strasser als Spitzenkanditaten präsentierte, wollten wir unbedingt eine liberale, pro-europäische Option bei der Europawahl anbieten. Im LiF fand ein Diskussionsprozess statt, ob man sich besser auf den strukturellen und inhaltlichen Reformprozess konzentrieren sollte.

leojus: Sehr geehrter Hr. Müllner! Würden Sie die Liberalen eher links oder eher rechts sehen? Wenn ich daran denke, dass Fr Schmid sehr lange bei der FPÖ war...bitte beantworten Sie mir diese Frage, ich rätsle schon lange!

Hannes Müllner: Sehr gute Frage! Was bedeutet links und rechts? (empfehle Wikipedia - Artikel ;-) ) Ich bin nicht sehr glücklich darüber, den Liberalismus in ein rechts-links-Schema zwängen zu wollen. Wenn man es unbedingt machen will, würde ich sagen: exakt die Mitte.

Jörg Schmidt XS: Im Internet geistert seit einiger Zeit ein Foto der Julis Bundessprecherin (ÖH Spitzenkandidatin und EU-Listenzweiten Allegra Raising ) herum auf dem sie mit dem RFS -Chef Philip Schrangl Brüderschaft trinkt, ist das keine Heuchelei wenn die Julis

Hannes Müllner: Der Rechtspopulismus (der auch als Kutsche für den extremen rechten Nationalismus dient), der in Österreich in den letzten 15 Jahren aufgekommen ist, ist ein Übel und davon distanzieren wir uns ausdrücklich. Es ist sogar ein Hauptgrund, warum wir überhaupt antreten.

Theatre of Tragedy: Können Sie uns ein Beispiel für eine politische Position nennen, in der Ihr euch vom LiF unterscheidet?

Hannes Müllner: Da das LiF im Moment kein offizielles Programm hat (es wird aber daran gearbeitet) kann ich leider dazu wenig sagen. Generell waren wir mit der wirtschaftspolitischen Präsentation des LiF bei der letzten NR-Wahl nicht ganz glücklich.

NDN1: Beim LSF gab es ja immer eine Zigarrenfraktion und eine Jointfraktion. Wo steht ihr, seid ihr wirtschafts- oder sozialliberal?

Hannes Müllner: :-) Ist es sehr arrogant, wenn man beides haben will?

VioletterHütteldorfer: Sehr geehrter Herr Müllner, was hat es eigentlich mit Ihrem Cowboy-Hut auf sich?

Hannes Müllner: Natürlich braucht eine Kleinpartei ein Markenzeichen, um erkannt zu werden. Ich bin allerdings immer schon recht hutaffin gewesen. Warum ich mich entschieden habe, bei dieser Wahl nicht im Anzug aufzutreten hat aber auch einen liberalen Grund: Ich habe das Recht aus dem Rahmen zu fallen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass man Menschen nicht danach beurteilen sollte, was sie auf dem Kopf tragen, welche Frisur sie haben oder welche Kleidung sie tragen. Ich möchte, dass Menschen - und insbesondere Politiker - an ihren Inhalten, Taten und Forderungen beurteilt werden.

Hans Dorfnix: Sie sind der Frage von Jörg Schmidt XS geschickt ausgewichen. Gehen sie doch bitte auf das Foto ein.

Hannes Müllner: Ich kenn auch nur das Gerücht, ich hab das Foto selbst nie gesehen. Aber ich kenne Alegra gut genug um euch zu versichern, dass sie mit der inhaltlichen Positionierung der FPÖ und seiner Vorfeldorganisationen nichts am Hut hat.

Woyt'sa Vadshn?: Realistisch beurteilt: Wie hoch ist die Erwartungshaltung eines Wahlwerbers, über den man nur zufällig stolpert, weil der Spitzenkandidat einen auffälligen Hut trägt???

Hannes Müllner: Natürlich mindert es unsere Seriösität, das ist mir völlig bewusst. Um was wir aber im Moment wirklich kämpfen ist es, ist Wahrnehmung.

cajon: Welcher Wählergruppe wollen Sie eigentlich erreichen? Grenzt es die über 35-jährigen Wähler nicht ein wenig aus wenn nur Leute bis 35 JuLis Mitglied sein können?

Hannes Müllner: Wir wollen eine liberale Option anbieten, natürlich für alle Österreicherinnen und Österreicher. Wenn man unser Programm auf www.julis.at ansieht, findet man nicht nur jugendspezifische Forderungen. Ich hab immer noch den Eindruck, dass die Jugend im Europaparlament und auch im Nationalrat unterrepräsentiert ist. Manche Parteien benutzen die EU-Wahl leider immer noch dazu, altgediente Politiker am Ende ihrer Karriere einen Parlamentarierposten zu ermöglichen. Ich finde, man sollte die Erfahrung des Alters mit der Dynamik und auch dem Idealismus der Jugend verbinden, nur so sind gute Entscheidungen für die Zukunft möglich.

thinkingplaces: Warum sollte man mitten in einer Wirtschaftskrise eine (neo)liberale Partei wählen, die gerade für eine freie Marktwirtschaft mit möglichst wenig Zügeln eintritt und womöglich auch noch der Meinung ist, der Markt könne nie versagen?

Hannes Müllner: Eines muss ich hier klarstellen: Wir sind keine marktradikale Partei, keine Anarchokapitalisten, die glauben, der Markt kann alles regeln. Aber wir haben dennoch unsere Zweifel, ob die in der ganzen EU gestalteten Konjukturpakete wirklich sinnvoll sind. Ich würde mir lieber mutigere, und langfristig gedachtere Reformen unserer Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssysteme wünschen, statt zukünftiges Steuergeld in den Erhalt von Organisationen zu stecken, die den Strukturwandel offensichtlich verschlafen haben.

munition23: wo fängt für die jungen liberalen europa an und wo hört es auf? welche länder sollen aufgenommen werden, welche sicher nicht?

Hannes Müllner: Generell: ich sehe als Liberaler keinen Grund, Länder aufgrund ihrer Kultur auszugrenzen. Wenn die Kopenhagener Kriterien erfüllt werden, d.h. sich die Länder auch zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennen, wenn die Union von ihrer Struktur her aufnahmefähig und -willig ist, sollte der Integrationsprozess weitergehen. Speziell: Ich denke, Island und Kroatien können sehr bald beitreten, auch den restlichen Balkanländern sollte man die Möglichkeit geben. Ich hoffe, dass sich auch Norwegen, die Schweiz und die Kleinstaaten dazu entschließen. Die Türkei hat noch einen sehr langen Weg vor sich, aber wenn sie ihn gehen will, sollten wir sie dabei unterstützen.

Brussels Blogger: Also keine Reform der Finanzmärkte sondern Geld sparen im Sozial- und Bildungsbereich?

Hannes Müllner: NEIN. Da habt ihr mich missverstanden. Die Finanzmärkte gehören auf ein neues Fundament gesetzt, insbesonders die Kontrollmechanismen müssen verstärkt werden. Den Weg, den Obama hier vorgibt und auch von der Union mitgestaltet wird, sehe ich durchaus positiv. Das Sozialsystem und das Bildungswesen müssen reformiert werden, Geld hineinstecken wird zuwenig sein.

electrodomesticos: Soll der Staat die Wirtschaft regulieren?

Hannes Müllner: Der Staat soll die Spielregeln festlegen, aber sich als Spieler zurückhalten (es gibt natürlich Bereiche, die nicht privatisiert werden können)

Wimu: Wie viel kostet der Wahlkampf der JuLi und wer finanziert ihn?

Hannes Müllner: Wir haben für den EU-Wahlkampf ein Minibudget von 15.000€, dass wir sehr effizient verwenden müssen. Spenden sind gerne willkommen! Das Geld haben wir von einigen privaten Financiers zusammengetrommelt, Steuergeld ist kein Cent dabei.

Manfred Bieder: Werden die JuLis von Hans-Peter Haselsteiner finanziell unterstützt?

Hannes Müllner: Leider nicht, wenn hier jemand einen guten Draht zu ihm hat, kann er/sie ihm ja gut zureden ;-)

-Nathan-: Wollen die JULIS die österr. (Rest)neutralität in einer größeren,europ. Dimension entgültig mittels eines EU-Heeres abschaffen ?

Hannes Müllner: Die Forderung nach einer Parlamentsarmee ist eher finanziell motiviert: Die Militärausgaben der EU-Länder sind im Verhältnis zur Schlagkraft der Streitkräfte gigantisch. Man könnte das Geld im Bildungs- und Sozialbereich besser gebrauchen. Wir wollen dezidiert keine Angriffsarmee nach amerikanischen Muster, wir wollen eine schnelle Eingreiftuppe zur Sicherung von Naturkatastrophen und Einsätzen im Rahmen von UN-Mandaten. Die Armee soll außerdem dem EU-Parlament unterstellt sein, d.h. der Europäischen Bürgerkammer.

Der auf der Nudelsuppen dahergschwommen is: wie soll sich die eu in den nächsten 20 jahren weiterentwickeln?

Hannes Müllner: Ich wünsche mir, dass sich die EU innerlich refomiert, das Parlment gegenüber dem Rat gestärkt wird und letztendlich aus der Union ein föderaler Bundesstaat wird, der nach außen geschlossen auftritt und sich den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellt (Klimawandel, Globalisierung...)

netoli: Wieviel % Zustimmung erwartet ihr bei der EU Wahl. Gebt ihr euch eine reeelle Chance ?

Hannes Müllner: Wenn ich keine Chance sehen würde, wäre ich wohl nicht hier. Ich denke wirklich, dass wir eine Chance haben. Eine geringe Wahlbeteiligung (sonst nicht wünschenswert) lässt eher pro-europäisch denkende Menschen zu den Urnen schreiten.

Lynohara: Wen würden Sie mir als Wahlempfehlung nennen, wenn ich zwar mit den JuLis inhaltlich am meisten übereinstimme, aber sicher bin, daß Sie die nötigen 5,5% nicht bekommen werden?

Hannes Müllner: Oh, taktische Wähler sind ein gefährliches Volk ;-) Ist eine Stimme wirkilch verloren, wenn eine Partei den Einzug nicht schafft? Setzt man dadurch vielleicht nicht doch ein Zeichen und macht Menschen Mut auf ihrem Weg weiterzumachen?

klausenpown: Kurze Frage, kurze Antwort: Freie Bildung für alle, ja/nein? Bedingungsloses Grundeinkommen ja/nein? Abschaffung EU Agrarsubventionen (ersatzlos, mit allen Konsequenzen) ja/nein)? Tobin Tax ja/nein?

Hannes Müllner: Wir sind liberal, nicht radikal, immer mit der Ruhe! Freie Bildung für alle: was heißt frei? gratis? alles? was gehört zur Bildung dazu? Verflucht mich von mir aus, aber ich will eine Diskussion, wie unser Bildungssystem möglichst viele Menschen möglichst gut bildet und ausbildet und keine kurzen Antworten Bedingungsloses Grundeinkommen: Eine Idee, die man weiterverfolgen und durchdenken muss, allerdings nicht umsetzbar in den nächsten Jahren und auf nationalstaatlicher Ebene Agrarsubventionen: Abschaffung definitiv ja, aber in einem vernünftigen Zeitrahmen Tobin Tax: ich glaube die Idee ist mittlerweile überholt (aber über alternative Steuersysteme muss nachgedacht werden)

ModeratorIn: Leider sind wir schon am Ende der Chatzeit angekommen, und leider sind sich auch diesmal wieder bei weitem nicht alle Fragen ausgegangen. Danke fürs Mit-Chatten und schönen Nachmittag noch!

Hannes Müllner: Danke für eure Fragen, hat mir Spaß gemacht. Besonderen Gruß an die standard.at - Forumscommunity, ich schätze diese Diskussionsform für öffentliche Meinungsbildung sehr (hoff das ist nicht zu schleimerisch ^^) Eines vielleicht noch: wenn ihr prinzipiell gut findet, was wir tun, schimpft nicht, bietet uns eure Hilfe an. Wir können jedes gute Argument, jede helfende Hand und jeden denkenden Kopf gut gebrauchen. Wünsch euch einen schönen Nachmittag!