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Der wirtschaftliche Aufschwung in Zentral- und Osteuropa, im Bild ein Schafhirte beim Queren der Donau bei Novi Sad (Serbien), wird erst nach Besserung der Lage in den Kernstaaten der EU einsetzen.

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Die Rezession ist teils noch heftiger als in der Kern-EU, Kreditausfälle steigen.

Die Rezession, von der die Länder Zentral- und Osteuropas noch im Frühjahr verschont zu bleiben hofften, zeigt ihr Gesicht nun mit umso hässlicheren Zügen. Im ersten Jahresviertel ist die Wirtschaftsleistung beispielsweise im Nachbarland Slowakei um 5,4 Prozent, in Lettland gar um 18,6 Prozent eingebrochen (siehe Grafik).

"Alles ging runter"

Bei der Jahrestagung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die am Wochenende am Sitz des Instituts in London stattfand, wurden die Teilnehmer aus 60 Staaten darüber hinaus auch auf mögliche noch schlummernde Überraschungen vorbereitet. Der Tenor bei der Tagung, die aufgrund der starken Präsenz österreichischer Bankinstitute in der Region wie ein Heimspiel mit ausländischer Beteiligung schien: Zuerst müsse sich die Eurozone erholen, erst dann könne es auch in Zentral- und Osteuropa wieder aufwärts gehen. Als Grund wurde die starke wirtschaftliche Verflechtung der Region mit den Kernstaaten der EU, darunter mit Österreich, genannt.

Führende Mitarbeiter der Bank geben inzwischen zu, Ende Februar, Anfang März fassungslos und bar jeder Eingriffsmöglichkeit gewesen zu sein. "Wir wussten damals nicht, wann die Talsohle erreicht sein würde. Alles ging runter. Richtig beängstigend", sagte der Forschungsdirektor der EBRD, Jeromin Zettelmeyer.

"Kreditnachfrage riesig"

Der Ernst der Lage, an deren Beginn das Platzen der US-Immobilienblase stand, ist inzwischen in Riga, Kiew, Belgrad und anderen Hauptstädten der Region erkannt worden. Die Hilferufe werden zunehmend lauter.

"Die Nachfrage nach Krediten und Beteiligungen ist riesig, jedenfalls größer, als wir sie erfüllen können", sagte EBRD-Direktor Kurt Bayer, ein Österreicher. Bei der Auswahl werde man selektiver vorgehen und nur mehr Projekte unterstützen, die den mittel- bis langfristigen Transformationsprozess am ehesten vorantreiben. "Das heißt, wir fokussieren noch stärker auf Klein- und Mittelbetriebe, die es derzeit besonders schwer haben, an Kredite zu kommen", sagte Bayer. Energieeffizienzprojekte seien ein weiterer Schwerpunkt, ein dritter die Finanzierung städtischer Infrastruktur – von Wasser und Abwasser bis Müllentsorgung.

Kreditausfälle habe man bisher kaum zu beklagen, sagte der EBRD-Direktor. Mittel- bis längerfristig aber könnten bis zu zehn Prozent der Ausleihungen uneinbringlich sein. Durch Umschuldungen, wozu Bayer übrigens auch den Kommerzbanken rät, soll den Unternehmen Luft zum Atmen gegeben werden.

Mehr Kapital gefordert

Die EBRD, die 1991 zur Unterstützung der Länder beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft gegründet wurde, kann ihre Finanzzusagen derzeit noch aus früheren Überschüssen finanzieren. Jetzt werden Stimmen lauter, die eine Kapitalaufstockung fordern. Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (VP) wollte in London weder Ja noch Nein dazu sagen: "Wir müssen das sehr genau prüfen." Entschieden wird frühestens bei der nächsten EBRD-Jahrestagung in Zagreb, wo das Budget bis 2015 beschlossen wird.

Österreich hält am Grundkapital der EBRD von 20 Mrd. Euro 2,28 Prozent und ist bei Kapitalerhöhungen bisher immer mitgezogen. (Günther Strobl aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.5.2009)