Poseidon wird Schirmherr des Wiener Rathausplatzes: Der Life Ball steht heuer unter dem Thema "Wasser" - verwässert soll seine Botschaft aber nicht werden.

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17 Jahre später ist Keszlers Life Ball eine Institution, und der Ballvater braucht längst keine prominenten Fürsprecher mehr.

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Wien - Heute beantwortet Gery Keszler nicht mehr alle Fragen. Schon gar nicht, wenn sie nahelegen, dass jemand plant, aus dem medialen Jubelkanon über den Life Ball auszubrechen: Wer über Keszlers Ball anderes als die Geschichte von der grellen, aufgrund der Toleranzbotschaft, des Safer-Sex-Appells, der Welt-Promis und der Spendensumme großartigen, Aids-Charity-Party erzählen könnte, geht oft ohne Wortspende aus. Offiziell scheitert man dann am Zeitbudget des Ballvaters.

Und Insubordination hat Folgen: An ATV-Societymann Dominic Heinzl exekutierte Keszler heuer vor, was denen blüht, die "falsch" - also differenziert - berichten: Heinzl wurde für den Ball "gesperrt", aber doch pardoniert, als Politiker, Sponsoren und "Medienpartner" intervenierten. Die Bitte des Standard, über Licht und Schatten der Mutation der Szene-Party zu Europas größter Aids-Charity zu plaudern, blieb unerfüllt. Wohl aus Zeitgründen.

Keszler weiß, dass das geht: Laut stellt in Wien niemand den Event infrage. Denn das Ergebnis (jährlich mehr als eine Million Euro für Aidsprojekte, die Toleranz- und Safer-Sex-Botschaften) "stimmt" ja. Und Wien kuschelt gerne: Es tut nicht weh, Sponsoren und Politiker nicht zu irritieren - und wer kooperiert, bekommt bessere Bilder.

Das wusste schon Helmut Zilk. Vor 17 Jahren, erinnert sich WienTourismus-Chef Norbert Kettner, trat Wiens Bürgermeister "mit einem blonden Bürscherl, das kaum einen Satz rausbrachte", vor die Presse und sagte: ",Das ist der Gery Keszler. Der macht was Tolles. Seids nett zu ihm.'" Kettner war damals Redakteur der Kronen Zeitung.

Der Auftrag wurde beherzigt: Die ersten Partys schockierten zwar manch braven Rathausbeamten, doch nicht einmal Michael Jeannée wollte Zilk die Stirn bieten. Er ließ stattdessen 1999 "Anette, eine blutjunge Adabei-Novizin aus München" erblassen: "Mein Gott - so viele Schwule auf einen Haufen! Ist das immer so?"

Doch schon damals war der Ball längst kein "schwuler" Event mehr: Krethi, Plethi und "die hohle Partyszene" (Kettner) kamen in Scharen: "Der Ball lief Gefahr, zur reinen Fleischbeschau zu werden." Kettner, zu der Zeit Sprecher von Wiens damaligem Finanzstadtrat Sepp Rieder und Kassier des Life Balls, erinnert sich: "Wer vor zehn Jahren auf den Ball gespuckt hatte, wollte jetzt dort gesehen werden."

Um den Ball nicht zur belanglosen Porno-Proll-Party verkommen zu lassen, "versuchten wir ab da, intensiv zu kommunizieren, was mit dem Geld passiert." Darüber hinaus halfen Kartenkontingente für die "Community" und Wild-Kostümierte, den Urcharakter zu bewahren.

Doch wer in die Breite geht, muss auch bürgerlicher werden. Sonst verschreckt man Sponsoren und den ORF. Dass heuer Thomas Schäfer-Elmayer eine Balleröffnung beisteuert, gilt als ein solches Zugeständnis: Elmayer schickt 99 Hetero-Debütantenpaare und ein schwules Duo über den Laufsteg. In der "Szene" wird kolportiert, dass dieses Paar in die Eröffnung reklamiert werden musste.

Offiziell klingt es anders, aber auch plausibel. Das Paar, so die Pressemappe, stünde für die Wirklichkeit: Nur ein Prozent der HIV-Infizierten ist homosexuell. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD Print-Ausgabe, 16./17.05.2009)