Washington - Die US-Notenbank Fed wehrt sich gegen Vorwürfe, den Wall-Street-Banken zu nahe zu stehen und die Finanzkrise nur halbherzig anzugehen. Fed-Spitzenbanker Jeffrey Lacker verwahrte sich am Montag gegen Berichte, wonach die Zentralbank den Kapitalbedarf der US-Banken in den sogenannten Stress-Tests geschönt habe. Die Reaktion der Finanzmärkte zeige, dass die Prüfung als ein verlässlicher Indikator für die vergleichweise gute Verfassung des US-Bankensystems angesehen werde, sagte der Präsident der Federal Reserve von Richmond, Jeffrey Lacker, in Peking.

Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman kritisierte die Belastungstests unterdessen als unzureichend. Die USA hätten die Chance zu einem Befreiungsschlag verpasst und spielten in der schwersten Krise seit Jahrzehnten auf Zeit. "Eine radikale Lösung zur Stärkung der Banken wäre eine vorübergehende Verstaatlichung der Citigroup und womöglich der Bank of America gewesen", erklärte Krugman. Mit "halbherzigen Maßnahmen" riskierten die USA nun eine lange Phase der wirtschaftlichen Agonie. "Mich treibt die Sorge um, dass den USA, aber auch der Euro-Zone verlorene Jahrzehnte wie in Japan bevorstehen", sagte Krugman. Japan war nah dem Platzen einer Immobilienblase in den frühen 90er Jahren in eine wirtschaftliche Schockstarre verfallen, die sich erst Anfang dieses Jahrzehnts löste.

Kapitalbedarf herunter gehandelt

Mit den Stress-Tests wollte die Fed ermitteln, wie gut die Banken für eine eventuelle Verschärfung der Finanzkrise gewappnet sind. Der Test erleichtere es den Banken, sich nun auch ohne staatliche Hilfe zu rekapitalisieren, versicherte Lacker. Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, die geprüften US-Banken hätten den zunächst von der Regierung ermittelten Kapitalbedarf heruntergehandelt - im Fall der Citigroup von 35 Milliarden Dollar (26,1 Mrd. Euro) auf fünf Milliarden Dollar.

Mit dem Test überprüfte die US-Regierung konkret, wie groß der Kapitalbedarf von 19 Großbanken bei einer Verschärfung der Rezession ist. Die meisten Institute schnitten dabei besser ab als befürchtet: Zehn von 19 Banken müssen ihr Kapital um insgesamt 75 Milliarden Dollar aufstocken und wollen die Mittel dazu größtenteils aus eigener Kraft aufbringen.

Fed mit besonderer Stellung

Als plastisches Beispiel für die kritisierte Nähe zur Wall Street gelten nicht zuletzt die Umstände des Rücktritts des Aufsichtsratschefs der Federal Reserve von New York, Stephen Friedman. Der Ex-Chef der Investmentbank Goldman Sachs begründete seinen Rückzug in der vergangenen Woche dass die Diskussion um sein Goldman-Aktienpaket der Fed in der jetzigen heiklen Phase schaden könne. Besonders pikant ist die Situation, weil die New York Fed im US-Notenbank-System eine besondere Stellung einnimmt: Sie führt am Finanzplatz New York die Offenmarkt- und Devisengeschäfte der Zentralbank aus und ist auch an der Aufsicht über die Banken beteiligt. Sie selbst gehört allerdings nicht dem Staat, sondern den Mitgliedsbanken.

Die Fed, deren Board vom US-Präsidenten bestimmt wird, bezeichnet sich selbst als unabhängig innerhalb der Regierung. Das Fed-System diene "öffentlichen Zwecken, habe aber auch private Aspekte". Genau diese Konstruktion sorgt nun im Finanzministerium für kritische Fragen: Ressortchef Timothy Geithner sagte Reuters, die Zentralbank müsse sich genauer damit beschäftigen, wie mit Interessenkonflikten umzugehen sei. Auch Fed-Chef Ben Bernanke teile diese Auffassung.

Bernanke zuversichtlich

Bernanke hat sich dann auch zuversichtlich über eine Erholung des kriselnden Bankensystems in Amerika gezeigt. Die jüngst durchgeführten Belastungstests bei 19 großen Geldinstituten hätten bereits dabei geholfen, den Banken wieder Zugang zu privatem Kapital zu ermöglichen. "Die ersten Anzeichen sind ermutigend", sagte Bernanke am Montag. "Wir hoffen, dass wir in zwei oder drei Jahren auf gesunde Banken blicken können, die deutlich weniger auf das Kapital der Regierung angewiesen sind." (Reuters/APA)