An der hufeisenförmigen Bucht von Calvi rührt sich der "Störrische Esel" nicht mehr vom Fleck.

Foto: Visit Corsica

Es mag ja 240 Jahre her sein, dass die Genuesen Korsika an Frankreich verkauft haben, aber irgendetwas Italienisches liegt da immer noch in der Luft: ",Roma' von Laura Biagiotti", bestätigt Hansjörg Klotz, "denn die Mittelmeerstrohblume ist bei Parfumherstellern heiß begehrt und wichtigster Bestandteil dieses Dufts."

Seit acht Jahren verbringt der Bludenzer Wander- und Bergführer mit der feinen Nase die schöne Zeit von April bis November in der duftenden Macchia oder vielmehr in der "Mucchia", wie der Korse sagt. Erstaunlich nur: Längst trägt das immergrüne Hartlaub auch eine Vorarlberger Note. Im Nordwesten der Insel nämlich, dort, wo die Berge am höchsten in den Himmel ragen und oft bis in den Juni hinein mit Schnee bedeckt sind, erstreckt sich seit fünfzig Jahren auf sieben Hektar Land eine kleine Vorarlberger Kolonie: das Feriendorf "Zum störrischen Esel".

1959 beschloss der Obmann des Alpenvereins Dornbirn, Willi Doderer, auf einer Korsika-Reise, er wolle mit einer kleinen Gruppe wiederkommen. Bereits 1960 entstand eine daheim als "Ferienlager direkt am Strand von Calvi" angekündigte Zeltsiedlung für Wanderer - 600 Gäste kamen im ersten Jahr. Mit von der Partie war Kurt Müller, damals im Brotberuf Volksschullehrer und Kollege Doderers. Heute, fünfzig Jahre danach, sind Grete und Kurt Müller immer noch die guten Seelen des Feriendorfs.

"Es wundert mich selbst, was wir hier als blutige Laien aufgebaut haben", rekapituliert Kurt Müller bei einem Glas Kastanienbier in der Bar des Feriendorfs "U Spelunca". "Zwanzig Jahre lang kamen unsere Gäste mit den Rhomberg-Autobussen und dann per Fähre von Genua nach Korsika." Zwei Tage dauerte die beschwerliche Anreise, erst seit 1983 gibt es Charterflüge. Der Anteil an Stammgästen ist hoch, denn Kurt Müller ist überzeugt: "Wir sind kein All-inclusive-Animations-Club, wir kümmern uns in anderem Sinne um unsere Gäste. Wir wollen ihnen in einer familiären Umgebung die Augen öffnen für die Schönheiten der Natur und die Eigenheiten der Insel." Gelegenheit dazu gibt es mehrmals täglich: bei Wanderungen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden bis hin zu moderatem Klettern oder bei Mountainbike-Ausfahrten.

Der Esel bewegt sich nicht

Wenn die Wanderer am späten Nachmittag müde zurückkehren, profitieren sie von der sprichwörtlichen Unbeweglichkeit des "Störrischen Esels". Nie hat die Anlage ihren Standort gewechselt - und das aus gutem Grund: Der Sandstrand ist keine 200 Meter vom Feriendorf entfernt und vor Überfüllung gefeit. Sieben Kilometer erstreckt er sich über die gesamte Bucht von Calvi. Ein Pinienwald schirmt ihn von der Straße ab, lediglich eine Schmalspurbahn mit dem Spitznamen "Feuriger Elias" zuckelt hie und da gemächlich vorbei.

Dass sich manche Korsen gegen die Projekte von Bauspekulanten aus Festlandfrankreich vehement wehrten, ist vielleicht bekannt. Das Verhältnis zum "Störrischen Esel" hingegen war von Anfang an entspannter, und so wird der Straßenabschnitt zum Feriendorf von Einheimischen längst nur noch als die "Kreuzung der Österreicher" bezeichnet. Und auch ein "Kreuz der Österreicher" gibt es hier: auf dem Capu di a Veta. Das heutige Gipfelkreuz auf dem 703 Meter hohen Hausbergs von Calvi hat zwar ein Hubschrauber der Fremdenlegion transportiert, aber das Exemplar davor hatte noch Willi Doderer selbst hinaufgeschleppt.

Der Wanderweg gipfelwärts beginnt direkt beim Feriendorf, und während des zweieinhalbstündigen Aufstiegs lernt man die Pflanzen der korsischen Macchia kennen: Zistrosen und den Schopf- lavendel etwa, oder die Myrte, um nur die betörendsten in dieser Naturparfümerie zu nennen. Von hier aus überblickt man schließlich die gesamte hufeisenförmige Bucht von Calvi bis zum Cap Corse am nördlichen Horizont. Landeinwärts breitet sich das Bergland der Balagne aus - in früheren Zeiten der Obst- und Olivengarten Korsikas. Heute sind die Bergdörfer allerdings weitgehend verlassen - etwa von Laetitia Casta, die ursprünglich aus dem Lumio kommt.

Aus Sant'Antonino stammt die Anekdote um die Namensgebung des "Störrischen Esels". "In einem der ersten Jahre unserer Korsika-Fahrten machte Willi Doderer den brillanten Vorschlag, in Sant'Antonino einen Esel als Maskottchen für das Feriendorf zu kaufen", erinnert sich Kurt Müller. "Keine gute Idee: Der Esel schrie die ganze Nacht lautstark und brachte die Gäste um den Schlaf. Anderntags wurde das Tier höflich dorthin zurückkomplementiert. Aber das Feriendorf hatte einen Namen!" (Harri Kivinen/DER STANDARD/Printausgabe/9./10.5.2009)