Anno 1404 erscheint am 25. Juni für Windows-PC.

Screenshots aus dem Spiel:

Foto: Hersteller
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Steinmetze schlagen Ziegel aus dem massiven Fels, Holzfäller bereiten Bretter für das eine große Bauwerk auf. Köhlereien arbeiten auf Hochtouren, um die Erzschmelze anzuheizen. Schmiede fertigen die letzten Werkzeuge. Händler fahren ihre Karren aus, die Maschinerie kommt ins Rollen.

Die Grundmauern des Kaiserdoms ragen bereits prachtvoll empor, wie die unfertige Krone eines Reiches. Unzählige kleine Arbeiter werken am Gerüst, ziehen Ziegelsteine an Hanfseilen in schwindeleregende Höhen - in Höhen, die einer allein nie erreichen hätte können.

200 Jahre

"Ein Mann hätte 200 Jahre gebraucht, um Anno 1404 fertigzustellen", erklärt Produzent Christopher Schmitz kurz nachdem er in Hamburg vor versammelten Journalisten sein neuestes Werk erstmals präsentierte. "Am Kaiserdom bauen so viele (virtuelle) Menschen, wie sich (im Vorgänger) Anno 1701 in einer ganzen Stadt befanden", erläutert er und verdeutlicht die Ausmaße der vielfältigen mittelalterlichen Welt, an der die vergangenen Jahre bis zu 150 reale Menschen gezeichnet, programmiert und getüftelt haben.

Ende Juni soll der vierte große Teil Sunflowers Aufbaustrategiespiels dann in den Läden stehen, der WebStandard durfte vorab eine fast fertige Version anspielen. Soviel vorweg: Süchtig macht Anno immer noch.

Zurück im Sandkasten

Für Außenstehende zunächst kurz das Spielprinzip: Als Entdecker macht man sich auf, neues Land zu erschließen. Ziel ist es, mit allen dazugehörigen Komponenten wie Nahrungsversorgung, Infrastruktur, Handel und Diplomatie aus einem kleinen Siedlerdorf eine wirtschaftlich florierende Großstadt zu errichten. Neben einer einführenden Kampagne, die durch die bunte Entdeckerleben und seine Möglichkeiten führt, ist der so genannte Sandkastenmodus das Kernstück der Anno-Serie. Hier steht eine ganze 70 Prozent größere Inselwelt als zuvor frei zur Erkundung und Besiedelung - Ende nie, so zu sagen.

Neuerdings gibt es über 60 Waren, die man produzieren kann. Vom Fischer bis zur Dattelplantage, füllen dutzende Betriebe die Warenlager. Umso mehr man seinen Bürgern bietet, desto glücklicher werden sie und zahlen am Ende des Tages - quid pro quo - mehr Steuern. Das Geld wird wiederum zum Ausbau der Stadt und zur Errichtung weiterer Produktionsstädte genutzt.

Das Reich des Orients

Im Zentrum von Anno 1404 steht dieses Mal die Zusammenarbeit mit fremden Völkern. "Wir haben auf die Community gehört und den Orient zum Thema gemacht", erklärt Schmitz. So gilt es von den Ländereien des Kalifen exotische Gewürze und Früchte zu importieren, will man sein Volk in höhere Zivilisationsstufen aufsteigen lassen.

Anders als in den Vorgängern ist man aber wesentlich stärker von seinen Handelspartnern abhängig. Um Datteln etwa selbst anpflanzen zu können, muss man sich erst mit dem Orient gut stellen. Erst dann erwirbt man das Know-How zur Erbauung eines Brunnens, um den trockenen Boden des Südens bestellen zu können.

Geld ist nicht alles

Neben der harten Währung Gold, geht in der Diplomatie nichts ohne Ansehen. Um sich den Respekt fremder Kulturen und Herrscher zu verdienen, braucht es Ruhm - ein fiktives Gut, dass mit der Erschaffung beeindruckender Denkmäler und kultureller Einrichtungen oder gar mit Tributzahlungen erworben werden kann. "Bis Sie den Kaiserdom errichtet haben, haben Sie gut 15 Stunden gespielt", schickt Schmitz voraus. Die Balance zwischen Produktivität und Verdienst will daher schrittweise erlernt werden.

Im Großen, wie im Kleinen

Wer die Welt von Oben sieht, ist geneigt in großen Dimensionen zu denken. Doch die Entwickler haben besonders viel Wert auf Details gelegt. Die sicherlich imposante Grafikleistung der Testrechner brachte in höchster Auflösung geradezu Bezauberndes hervor. Das Entdeckerschiff wiegt sich in den Wellen, die Segel flattern physikalisch gerecht im Winde der hohen See. Ein Schwertfisch begleitet mit freudigen Sprüngen die Reisenden.

In der Stadt schwanken Saufkumpanen Arm in Arm frohlockend durch die Gassen oder starten eine Schlägerei, um sich dann doch wieder zu umarmen. In der Wüste trottet eine Karawane zur Oase, im Weingarten stampft fröhlich ein adrettes Fräulein im Traubenfass. Überall ist etwas zu entdecken (und zu erlauschen). "Wir nennen das den Aquarium-Effekt", informierte der Schmitz während seiner Präsentation das hypnotisierte Publikum.

Penibel und umgänglich

Tatsächlich verfällt man in Anbetracht des Gebotenen leicht in Trance, wenngleich für Spieler die Optik mit jeder Stunde nebensächlicher werden dürfte. Beruhigend, dass man Anno auch auf "vier, fünf Jahre alten Computern" spielen könne - und das noch akribischer als je zuvor. Nicht nur wurde die Anzahl der Waren und Bauwerke erhöht, auch das Spiel im Kleinen - das Mikromanagement - wurde verfeinert. Beispielsweise können Felder nun manuell bestellt werden, um gar das letzte Plätzchen Boden auszunutzen.

Neulinge und Zwischendurchspieler müssen sich davon aber nicht abschrecken lassen. So gibt es für besagte Aktion etwa einen Automatik-Schalter und überhaupt wurde jeder Inhalt mit erklärenden Sprechblasen versehen. Die Bedienelemente zeigen an, welche Bedürfnisse die Bürger haben und wie man an neue Güter gelangt und was welche Bauwerke bewirken. Für gehabt beruhigende Stimmung sorgt einerseits die atmosphärisch passende musikalische Untermalung und andererseits, wie in den Vorgängern, die schmeichelnde Stimme des Erzählers.

Ausblick

Trotz eines überaus positiven Ersteindrucks, darf ein kleiner Wermutstropfen nicht fehlen. Ein Mehrspielermodus wird im Hauptwerk wohl fehlen. Berichten zufolge könnte erst ein künftiges Erweiterungspaket Multiplayer-Partien nachreichen.

Bis dahin dürften Fans sowie Neulinge viele unterhaltende Momente im Aquarium "Anno 1404" erleben und Wochen mit der Erschaffung einer Metropole verbringen. Die striktere Eingliederung der fremden Völker dürfte für mehr Abwechslung sorgen. Wie sehr die "Währung" Ruhm das Spielgeschehen zum Positiven oder Negativen abändert, wird sich wohl erst nach ausführlichen Anno-Sessions sagen lassen. "Schon vier Stunden am Stück, wie die Zeit vergeht" - den Spruch gibt es übrigens immer noch. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 14.5.2009)