Suchende Figuren in einer heterogenen Filmland-schaft: Steffi Kühnert und Thorsten Merten in Andreas Dresens "Halbe Treppe" (2002).

Foto: Filmarchiv

Wien - Der Regisseur Andreas Dresen nahm die kommende zwanzigste Wiederkehr des Mauerfalls jüngst zum Anlass, um einen bitteren Artikel für Die Zeit zu verfassen: Er resümierte unter anderem, die westdeutsche Filmkultur habe nach der Wende "einfach so weitergemacht wie bisher", die Filmkultur des Ostens hingegen sei "verschwunden", wo die "Summe der beiden Teile etwas Neues, anderes" ergeben hätte können.

Genau diese Zeitspanne nimmt nun aktuell auch das Filmarchiv Austria in den Blick: Die Retrospektive "1989 ff." lässt zwanzig Jahre "Deutsches Gegenwartskino" in Form von rund hundert Spielfilmen Revue passieren. Und tatsächlich ist Dresen - vertreten mit Nachtgestalten, Halbe Treppe, Sommer vorm Balkon und Willenbrock - dabei einer von wenigen Regisseuren mit "Ost-Biografie". Umgekehrt wirkt der zeitliche Marker in Bezug aufs Kino auch ein wenig sekundär (auf einen Film aus dem Jahr 1988 folgt einer von 1991 und das Gros der gezeigten Produktionen entstand erst nach der Jahrtausendwende).

1989 war, so scheint es also, kein besonders signifikantes Jahr für den deutschen Spielfilm, sondern in erster Linie eines für die beiden deutschen Staaten. Insofern zielt diese Landvermessung auf die Bestandsaufnahme dessen, was seither geschah: Sie bietet ein Panorama der Arbeiten jener nachgeborenen Generationen, die parallel zum Neuen Deutschen Film der 1960er- und 70er-Jahre und mit (West-) Fernsehen aufwuchsen.

Oder die noch Kinder waren, als R. W. Fassbinder 1982 starb. Die oft an Filmschulen ausgebildet wurden und ab den 1990er-Jahren dann ihre ersten (Kino-)Spielfilme drehten - hauptsächlich Männer, einzelne Frauen wie Caroline Link, Anna Justice oder Maria Speth. Und deren Filme sich meist an eine äußere Realität anbinden sollten.

Das ergibt ein recht heterogenes Gesamtbild, in dem sich das Publikum weitgehend selbst orientieren muss: Dieses reicht von den schrulligen Landei-Humoresken eines Detlev Buck bis zu den gefälligen, eigentlich schon wieder rückwärts gewandten Beziehungskomödien eines Sönke Wortmann. Es schließt die frühen Erzähl-Planspiele von Tom Tykwer (Lola rennt) ebenso ein wie die aufgeweckten Teenie-Eskapaden von Hans-Christian Schmid (Crazy), die energetischen Dramen von Fatih Akin oder die eigenwilligen Deutschlandbilder von Romuald Karmakar und Oskar Roehler.

Manche Positionen - wie jene der sogenannten Berliner Schule, die mit Arbeiten wie Valeska Griesebachs Mein Stern, Henner Wincklers Klassenfahrt oder mit Filmen von Thomas Arslan und Christian Petzold vertreten ist - hätte man schärfen können. Andere wesentliche Entwicklungen, die neu geordnete Produktionslandschaft, bildet die Schau nur ganz indirekt ab.

Endstation Hollywood

Die Renaissance des deutschen Unterhaltungskinos nach Hollywood-Vorbild etwa bleibt außen vor - eine Entwicklung, die unter anderem vom Produzenten Bernd Eichinger vorangetrieben wurde, der zuletzt in Großprojekte wie Der Untergang, Elementarteilchen oder Das Parfüm investierte und der damit die Laufbahn einzelner "Post-89er" aus einem Autoren-Kontext in Richtung quasi-industrieller Produktionszusammenhänge bewegte. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 11.05.2009)

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