Wien - Der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) gelang bei ihren Bemühungen, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, ein wichtiger Schritt: Vor wenigen Tagen wurde der Wiener Nachlass des Komponisten Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) restituiert und in der Folge zum Marktpreis von 210.000 Euro erworben.

Die Erben hatten hohes Interesse, dass die insgesamt 2.122 Briefe, 45 Musikhandschriften, 59 Musiknotendrucke und vier Bücher in der ÖNB bleiben. Denn das umfangreiche Material dokumentiert Korngolds Schaffen in Wien. Es besteht unter anderem aus Eintragungen in den Korrekturabzügen zu den Opern Die tote Stadt und Der Ring des Polykrates sowie zur Bearbeitung der Strauß-Operette Das Spitzentuch der Königin.

Der Komponist, der sich bereits seit 1934 auf Einladung Max Reinhardts in Hollywood befunden hatte, emigrierte 1938 als Verfolgter im Sinne der Nürnberger Gesetze mit seiner Familie in die USA. Die von ihm bei einer Spedition eingelagerten Mobilien wurden im Februar 1941 zu Gunsten des Deutschen Reichs beschlagnahmt und der Verwertungsstelle für Umzugsgut der Gestapo (Vugesta) zur Verwertung übergeben. Die Nationalbibliothek erhielt Korngolds Materialien unentgeltlich zugewiesen.

Die Provenienzforscherin Margot Werner, von ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger ins Haus geholt, gelangte bereits 2002 zur Überzeugung, dass die Musikalien geraubtes Gut sind. Ende April 2004 empfahl der Rückgabebeirat die Restitution. Wenig später entdeckte Werner, dass sich auch die 2.122 Briefe zu Unrecht in der ÖNB befinden: Nach dem Weltkrieg war das Konvolut im Eingangsbuch der Handschriftenabteilung als Schenkung bezeichnet worden, um die Erwerbung zu legitimieren.

Ende Juni 2006 sprach sich der Beirat auch für die Restitution der Handschriften aus. Im Kulturministerium hatte man aber keine Eile: Die ÖNB musste über ein Jahr lang mehrfach urgieren, bis ein - angesichts des Wertes notwendiges - Erbfolgegutachten eingeholt wurde. Daher konnte das Restitutionsverfahren erst jetzt endgültig abgeschlossen werden. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 09/10.05.2009)