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Couchsurfer finden auf der ganzen Welt ein Bett bei Freunden.

Foto: AP Photo/Amy Sancetta

Wien - Ihre Eltern haben es in ihrer Jugend gemacht, Roxelane Güllmeister tut es ihnen nach: durch die Welt reisen und geldbörselschonend bei "wildfremden" Leuten übernachten. Waren ihre Eltern dabei überwiegend vom (glücklichen) Zufall abhängig, unterwegs ihr müdes Haupt bei jemandem betten zu können, überlässt die Architekturstudentin das nicht dem Schicksal, sondern dem Internet.

Die in Wien lebende Studentin aus Deutschland sucht für ihre Trips auf der Online-Plattform Couchsurfing.com nach Übernachtungsmöglichkeiten. Vor knapp zehn Jahren aus einem Studentenprojekt hervorgegangen, schnellte die Zahl der registrierten Nutzer parallel zur Krise enorm in die Höhe und hat im heurigen März bereits die Millionengrenze überschritten. Knapp 790.000 verfügbare Sofas, Diwane, Couchbetten und andere Ruhemöbel weist die Statistik in mehr als 231 Ländern (selbst in der Antarktis) aus.

Dabei geht es offiziell gar nicht um die Möglichkeit, überall auf der Welt gratis absteigen zu können. "Im Kern geht es darum, eine bessere Welt zu schaffen, indem wir anderen unser Zuhause, unser Herz und unser Leben öffnen", lautet die etwas pathetisch formulierte Mission auf der Homepage.

"Man hat sofort im Idealfall so etwas wie ein Zuhause in einer anderen Stadt und lernt sie und ihre Bewohner viel besser kennen als ein normaler Tourist ", nennt auch Güllmeister einen der Vorzüge von Couchsurfing. Zu dem Besitzer der Schlafstatt, in der sie ihre erste Nacht in Wien verbrachte, sei mittlerweile eine gute Freundschaft entstanden.

Wenn auch nicht allen Teilnehmern, gehe es doch sehr vielen wirklich darum, sich mit ähnlich offen denkenden Menschen zu vernetzen und während des Besuchs "über Gott und die Welt zu diskutieren", sagt Güllmeister. Das zeige sich auch bei den in großen Städten einmal im Monat stattfindenden Stammtischen, zu denen in Wien oft an die 100 Gastgeber und Surfer kämen, berichtet sie.

Die österreichische Hauptstadt hat sich im Laufe der Jahre neben Paris, London, Berlin und Montreal zu einer Couchhochburg entwickelt. In ganz Österreich gibt es knapp 10.000 potenzielle Gastgeber von Dornbirn, Leoben und Wien bis Wallern, bei denen Surfer aus aller Welt bei Bedarf ausruhen können. Nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten werden geboten, viele Teilnehmer an der Plattform laden Surfer auch zu einem Stadtrundgang, einem Plausch oder zum Essen ein, oder stellen ihre Fahrräder zur Verfügung.

Um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten, gibt es ein freiwilliges Verifizierungssystem, bei dem mittels kleiner Spende via Kreditkarte die Korrektheit des Namens und der Adresse der Surfer und Couchbesitzer überprüft werden. Für Erst- und Alleinreisende stehen auf der Website eine Menge Tipps parat, die man als Couchsurfer beherzigen sollte.

Wer übrigens glaubt, Couchsurfing sei nur etwas für "junge Leute", irrt: Immerhin 245 der registrierten Mitglieder sind im Alter zwischen 80 und 89 Jahren. (Karin Tzschentke/DER STANDARD/Printausgabe/6.5.2009)