"Strć prst skrz krk": Dieser berühmte tschechische Satz, in dem kein Vokal vorkommt, heißt auf Deutsch: Steck den Finger durch den Hals. Was dem STANDARD-Karikaturisten Oliver Schopf dazu eingefallen ist, mag auch die Mühen beim Erlernen slawischer Sprachen illustrieren.

Slawische Sprachen haben den Ruf, schwierig zu sein. Seit dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs vor 20 Jahren boomt zwar das Lernangebot für Ostsprachen, die Slawisten-Gemeinde hat es aber dennoch nicht leicht.

Wien – "Lernen, lernen und nochmals lernen" – diese Losung des russischen Revolutionärs Wladimir Iljitsch Lenin wurde Generationen von Schülern im Ostblock mit auf den Weg gegeben. Eingetrichtert, würde manch einer wohl rückblickend sagen. Zumindest in puncto Fremdsprachen könnte auch 20 Jahre nach dem Verschwinden des Eisernen Vorhangs etwas mehr von dieser "revolutionären" Einstellung auch hierzulande durchaus nicht schaden.

Die Österreicher sind nämlich Fremdsprachenmuffel, fand eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Gallup-Instituts unter heimischen Unternehmen heraus. Die Autoren der vom Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) in Auftrag gegebenen Studie weisen darauf hin, dass jede fünfte Firma negative Auswirkungen durch mangelnde Fremdsprachenkenntnisse der Mitarbeiter beklagt.

Erwartungsgemäß legen Personalverantwortliche in erster Linie Wert auf gute Englischkenntnisse, aber die Ostsprachen holen rasant auf. In vielen Unternehmen teilt sich Russisch mit Französisch bereits Platz zwei, und die Ostsprachen wurden von einem Viertel der Befragten als wichtig eingestuft.

Fremdsprachen-Interessierte, die aus finanziellen Gründen nicht eine der vielen privaten Sprachschulen inAnspruch nehmen wollen, können etwa das vielfältige Angebot der Wiener Volkshochschulen (VHS) und auch jenes des Wifi nutzen. Nicola Kraml, Leiterin des Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Kommunikation an der VHS Ottakring, erzählt vom ungebrochenen Interesse der Kursteilnehmer an slawischen Sprachen seit dem Mauerfall 1989. Die Osterweiterung der EU 2004 habe einen weiteren Schub gebracht.

In erster Linie würden sich die Menschen aus beruflichen Gründen für eine slawische Sprache interessieren, erklärt Kraml. "Aber auch private Motive können ausschlaggebend sein, etwa zweisprachige Kindererziehung oder ein Ferienhaus in Kroatien." Insbesondere Tschechisch werde aus familiären Gründen gewählt: "Viele Wiener haben tschechische Wurzeln. Irgendwann kommt dann der Wunsch auf, die Sprache der Großeltern zu lernen. Auch sonst ist von Wien aus viel Kontakt mit Tschechien und mit der Slowakei da."

Das kyrillische Alphabet im Russischen (wie im Ukrainischen, Serbischen, Bulgarischen) ist für viele Anfänger eine Barriere. In etwa einem Semester könne man wirklich gut alphabetisiert sein, wissen die Russisch-Kursleiter der VHS zu berichten. "Obwohl die mediale Berichterstattung über Russland auffällig negativ ist, interessieren sich sehr viele Menschen für die Sprache. Es ist lustvoll, aber anstrengend, Russisch zu lernen. Wir haben immer viele enthusiastische Anfänger, aber nur wenige machen wirklich weiter", so Kraml.

Dass die Beschäftigung mit slawischen Sprachen auch auf einem höheren Niveau Spaß macht, dafür will der im Dezember 2008 gegründete multikulturelle Verein für Jungakademiker "Line in" sorgen, und zwar mit dem jüngsten Projekt "Slavistic's not dead/Slawistik ist nicht tot" . Melisa Slipac, stellvertretende Vereinsobfrau, erzählt, warum trotz Ostsprachen-Booms europäische Slawistikinstitute totgesagt wurden und wie eine Initiative junger Slawisten dieser Entwicklung Einhalt gebieten will: "Das Problem der Slawistikinstitute ist, dass viele Slawistik-Studenten ihr Studium nur als eine Nebenbeschäftigung betrachten. In erster Linie sind das Studenten mit einer slawischen Muttersprache, die auf der Uni nur nebenbei ihre Kenntnisse aufbessern wollen."

Wenig motivierte Studenten, gar nicht innovative Professoren, mangelnde Forschung und ein fehlendes Gesamtkonzept hätten die Slawistik in Europa an den Rand der Belanglosigkeit geführt, erzählt Slipac. "Die Anglisten sind sehr gut vernetzt. Die Slawisten so gut wie gar nicht." Das soll sich nun ändern, und zwar mit einem dreitägigen Veranstaltungsprogramm in Wien ab 22. Mai. Teilnehmende Slawistikstudenten und -absolventen sollen ihre wissenschaftlichen und literarischen Arbeiten vorstellen und Kollegen aus ganz Europa kennenlernen. (Information: Tel.: 0676/ 520 83 12; melisaslipac@hotmail.com) Den Abschluss bildet eine Party im "Klub Ost" . Devise: Vernetzen, vernetzen und nochmals vernetzen. (Mascha Dabić/DER STANDARD, Printausgabe, 5.5.2009)