Bild nicht mehr verfügbar.

Sergio Marchionne brauchte nur drei Jahre, um den Pleitekonzern Fiat wieder in die Gewinnzone zu bringen.

Foto: AP/Pinca

Bei der Sanierung des noch vor wenigen Jahren von Analysten und Rating-Agenturen abgeschriebenen Turiner Autokonzerns ist Sergio Marchionne ab 2004 ein Wunder gelungen. Nur drei Jahre brauchte der italienische Supermanager, um den Pleitekonzern wieder in die Gewinnzone zu bringen. Möglich wurde dies mit einem rigorosen Kostenabbau, einer rasanten Modellerneuerung und innovativen Sparten-Allianzen. Zugleich wechselte er 90 Prozent der Spitzenkräfte aus - der Großteil seines neuen Teams kommt aus dem Konzern selbst. Im Gegensatz zur bisherigen Managementpolitik der Fiat-Unternehmerfamilie Agnelli galt nicht mehr der Stammbaum, sondern die Leistung als Auswahlkriterium.

Der aus den Abruzzen gebürtige und in Kanada promovierte Wirtschaftsanwalt ist ein Nonkonformist par excellence. Sakkos und Krawatten sind ihm ein Gräuel. Selbst bei Verhandlungen auf höchster Ebene - etwa über die Chrysler-Übernahme - erscheint er im Rollkragenpulli und Jeans. Der Kettenraucher nimmt nur selten am gesellschaftlichen Leben Turins teil: Er meidet mondäne Empfänge genauso wie Journalistengespräche und spielt lieber mit Turins Bürgermeister Sergio Chiamparino Scopa - ein beliebtes Kartenspiel in Norditalien.

Anekdoten über Marchionnes Draufgängertum und cholerischen Anfälle gibt es zur Genüge. Erst vor kurzem fuhr er einen 200.000 Euro teuren Ferrari-Rennwagen zu Schrott. Er selbst erlitt keinen Kratzer. Ein Laptop, der nicht sofort funktionierte, wurde kurzerhand aus dem Fenster gefeuert.

Abstecher nach Kanada

Als 14-Jähriger wanderte Marchionne mit seinen Eltern nach Toronto aus, wo er Philosophie, Wirtschaft und Jus studierte. Seine berufliche Laufbahn begann er 1983 als Wirtschaftsprüfer bei Deloitte & Touche in Kanada und wechselte dann als Direktor of Corporate Development zur Lawson Mardon Group in Toronto. Als die kanadische Gruppe mit der Schweizer Alusuisse Lonza Alcan fusionierte, kam er nach Europa zurück. Der ehemalige Fiat-Präsident Umberto Agnelli holte ihn 2004 nach Turin. Seinen Wohnsitz behielt Marchionne weiterhin in der Schweiz, wo auch seine Frau und seine zwei Kinder leben.

Mit dem Einstieg bei Chrysler will er auch den hochverschuldeten Fiat-Konzern im Lot halten. Sein nächstes Ziel ist die Opel-Führung. Die Gewerkschaften sollten ihn daran nicht hindern. Denn mit den Arbeitnehmervertretern hat er sich immer einigen können.  (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.5.2009)