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Als "Verrat" bezeichnen Betriebsräte die Schließung der Halleiner Papierfabrik.

Foto: AP/Joensson

480 Menschen verlieren ihre Arbeit. Sie sehen sich als Opfer der Globalisierung.

Salzburg – Es ist vorbei. Unwiderruflich. Seit Donnerstagabend ist die Papiererzeugung am Standort Hallein – fast 120 Jahre quasi industrielles Herzstück des Tennengaus, wenn nicht ganz Salzburgs – Geschichte. Die Papiermaschinen sind abgestellt. An einer zentralen Kreuzung hat einer der rund 480 Gekündigten weiße Holzkreuze aufgestellt. Die Parallele zu den Mahnkreuzen nach tödlichen Verkehrsunfällen ist beabsichtigt: Die Firma sei in einer globalisierten Wirtschaftswelt an die Wand gefahren worden.

Monate des vergeblichen Hoffens

Rund 200 Arbeiter und viele weitere Halleiner verabschiedeten sich nach der letzten Schicht von der "Hallein Papier", wie das Werk im Volksmund trotz wiederholten Eigentümerwechsels immer noch genannt wird, auf ihre Weise: Sie zogen vom Werkstor zur Grabstätte der Firmengründer. Der Wiener Chemiker Karl Kellner und der britische Industrielle Edward Partington hatten 1890 an der Salzach ein Zellulosewerk gegründet. Acht Jahre später ging die erste Papiermaschine in Betrieb.

Nach Monaten des Hoffens und lautstarker Protestmärsche gegen die Entscheidung des finnischen Papierkonzerns M-real haben viele Papierarbeiter resigniert.

Zukunftshoffnungen habe gerade Ältere wenig: "Wie soll ein über 50-Jähriger in der Krisenregion Tennengau Arbeit finden?" , ist immer wieder zu hören. Tatsächlich ist das Aus für die Papierproduktion nicht die einzige Negativmeldung aus Hallein. Der Hygieneartikelerzeuger Johnson & Johnson hat Ende März seine Produktion stillgelegt. Auch hier verloren weit mehr als einhundert Menschen ihre Arbeit, obwohl der Standort Gewinne gemacht hatte.

Auf Schlagworte wie Marktwirtschaft, Kapitalismus, Globalisierung reagieren die Halleiner mehr als gereizt. M-real-Betriebsrat Walter Kogler nennt die Schließung der Papierproduktion schlicht "Verrat". Aus Sicht der Halleiner wurde man Opfer einer Marktaufteilung zwischen dem finnischen Mutterkonzern M-real und der südafrikanischen Sappi-Gruppe. Genährt wurde diese Sicht der Dinge auch durch diverse Politikeraktivitäten. Sowohl Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) als auch ihr Stellvertreter Wilfried Haslauer (ÖVP) versuchten im vergangenen Landtagswahlkampf mit Einsprüchen gegen die Schließung der Papierproduktion bei der EU-Wettbewerbsbehörde zu punkten. Geholfen hat der Polit-Aktionismus freilich nichts.

Zellstoffproduktion

Ein kleiner Lichtblick bleibt für die Halleiner: Zumindest vorerst einmal soll die Zellstoffproduktion am Standort Hallein fortgesetzt werden. M-real Hallein habe Lieferverträge mit Zellstoffkunden für 2009 und 2010 und damit wären die Maschinen zu 70 Prozent ausgelastet, heißt es von Werksseite. "Schon deshalb wird M-real den Standort mit Zellstoffherstellung und Energieerzeugung in Zukunft betreiben" , so Vorstand Jörg Harbring. Ob das Werk über das Jahr 2010 produziert, ist aber fraglich.

Wie der STANDARD berichtete, sieht Austropapier-Präsident Wolfgang Pfarl das Problem der Halleiner in deren unterkritischen Größe von nur 140.000 Jahrestonnen. Üblich wären Outputs von einer Million Tonnen jährlich. Harbring möchte dennoch "die Gespräche mit interessierten Investoren in Ruhe weiter führen."

Fürs Erste wird aber in Hallein die Papiermaschine 3 umgebaut. Dort soll qualitativ hochwertiger Zellstoff getrocknet und verpackt werden. Diese Investition wird mit der in Österreich grundsätzlich sicheren Holzversorgung begründet. So bestünden gegenüber skandinavischen Herstellern Vorteile, da diese aus Russland versorgt werden. Die Papiermaschine 4 und die nachfolgenden Streichanlagen werden gereinigt und eingefettet, damit ein späterer Einsatz problemlos möglich ist. Die Maschine soll verkauft werden.

Folgewirkungen

Wie groß der Einschnitt nach dem Aus für das Papierwerk für Hallein letztlich ist, erläutert Bürgermeister Christian Stöckl (ÖVP): "Wir werden ziemlich genau 700.000 Euro weniger Kommunalsteuer einnehmen", rechnet er im STANDARD-Gespräch vor.

Zum Vergleich: Das gesamte Kommunalsteueraufkommen der Gemeinde beträgt rund sechs Millionen. Prognosen, in wieweit auch Zulieferbetriebe Arbeitsplätze abbauen müssen, wagt Stöckl nur zögernd. An die 200 Stellen dürften es aber werden. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.5.2009)