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Der ganz normale Straßenkampf

Foto: AP Photo/Frank Augstein

Sind Fahrradfahrer Rowdies? Sind Autofahrer rücksichtslose Egomanen? Oder sind doch die FußgängerInnen das aggressivste Volk? Über polemische Feinheiten wie diese gab es Donnerstagabend angeregten Streit, als in der Wiener Planungswerkstatt zum Podium untert dem Motto „Rad-Rowdies, Bleifüße und Blindschliechen“ geladen wurde.

Autofahren "viel gefährlicher"

Dabei lief es ganz anfangs noch harmonisch. Zumindest, bis Christine Zach von der ÖAMTC-Akademie ihr Appell für das automobile Volk lancierte: Denn schließlich sei Autofahren „am gefährlichsten“: „Wenn ich einen Kratzer in meinem Automobil habe, ist das viel teurer, als wenn Sie einen Kratzer auf Ihrem Fahrrad haben.“

"Meistens in der Blutlache"

Mehr brauchte die KFZ-Lobbyistin nicht. Nach einem aufbrausenden Lachen im Publikum – Zach: „Freut mich, dass ich Sie so erheitern konnte“ – kam es zu lautem Protest: „Wenn Sie einen Kratzer im Auto haben, ist das Sachbeschädigung. Bei mir bedeutet es schwere Körperverletzung“, erzürnte sich ein Mann im Publikum. Bei den meisten polizeilich registrierten Zwischenfällen, in die RadlerInnen verwickelt sind, seien die RadlerInnen die Leidtragenden, sagte Rechtsanwalt Johannes Pepelnik. „Das liegt vielleicht daran, dass Fahrradfahrer schon längst aus dem Staub gemacht haben, bis die Polizei vor Ort ist“, ätzte Zach. Worauf Pepelnik ergänzte: „Wenn sie es noch können. In den meisten Fällen liegen sie nämlich in einer Blutlache.“

Regeln für Autos

„Radfahrer wollen sich überall die Zuckerln herauspicken“, klagte Zach: „Sie wollen schneller sein als die Fußgänger, aber an die Regeln des Straßenverkehrs halten wollen sie sich nicht.“ Logisch, meinte Alec Hager von der IG Fahrrad: Diese Regeln seien schließlich „nur für den Autoverkehr gemacht“: Einbahn-Regelungen, die Radweg-Benützungspflicht, und gemeinsame Wege für Fuß- und Radvolk - Drei Regeln, die nur dazu da seien, um den Autos möglichst wenig Platz weg zu nehmen. Mit der Folge, dass sich RadlerInnen und FußgängerInnen um den wenigen Platz auch noch streiten müssen, zumal die Wegmarkierungen oft nicht verstanden werden, meint Pepelnik:  „Die meisten Touristen halten es für moderne Kunst, was da auf den Boden gemalt ist.“

„Die kurze Ära des Automobils ist vorbei“, ist Hager überzeugt: Während Wien in der Zwischenkriegszeit noch eine „Stadt der Fußgänger und Radfahrer“ gewesen sei, gehe der Trend nun wieder in Richtung sanfter Verkehr. Die Stadtplanung hinke dem hinterher: „Die Straßen sind vor allem für den im Stau stehenden Autoverkehr gebaut.“

Reine Fahrrad-Straßen

Ganz so gestrig, wie die IG Fahrrad denkt, sind die StädteplanerInnen offensichtlich nicht: So sprach sich der Städtebund am Freitag klar für „Fahrradstraßen“ aus. In Gegenden, wo der Radverkehr ausgeprägt ist oder werden soll, müsse es Straßen geben, die nur in Ausnahmen – Anrainer, Müllabfuhr – Autos zulasse. In Graz gibt es dafür schon konkrete Pläne: Eine Straße im Univiertel soll nur noch Radverkehr führen. Da die Straßenverkehrsordnung dies noch nicht vorsieht, fordert der Städtebund eine Gesetzesänderung. Und wenn der Gesetzgeber schon dabei ist, solle auch gleich die Radweg-Pflicht abgeschafft und die komplizierten Vorrangregeln bei den Radwegen vereinfacht werden, fordern die Städte.

Dass sich der Städtebund auf Radeln verlegt, sollte nur auf den ersten Blick verwundern: Noch mehr Menschen zu Alltags-RadlerInnen zu machen, ist auch im Sinne der Motorisierten. Denn jeder Fahrradfahrer ist potentiell ein Auto weniger – und ein Fahrzeug weniger im Stau. (Maria Sterkl, derStandard.at, 27.4.2009)