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Dass es für die Gesundheit zuträglich ist, den Kopf unter einen Helm zu stecken, wusste man bereits im Mittelalter.

Es verging ja ab April kein Wochenende, an dem nicht eine kleine Blutlache die Terrasse unseres Elternhauses zierte. Und das war schon der schlechteste Fall, dass nur einem von uns das Blut aus dem Körper floss, weil die Steine, die wir uns durch die Haut rammten, halt einmal keine Korken waren, welche die Blutgefäße verschlossen. Im Idealfall knallten mein Bruder und ich zusammen, lagen dann nebeneinander im Dreck und meine Eltern brauchten dann nur einmal den Erste-Hilfe-Kasten auspacken.

Einen Helm hatten wir damals nicht. Wir trugen ja nicht einmal lange Hosen, im Sommer nicht einmal ein T-Shirt. Da hatten es die Steine, die alle zusammen dem Schotterweg seinen Namen gaben, leicht, bis zu den Knochen vorzudringen. Aber eines fällt mir heute auf: Im Krankenhaus haben sie uns Steine aus den Knien operiert, meinem Bruder aus dem Ellenbogen auch gleich den Schleimbeutel mit entfernt, aber Kopfverletzungen hatten wir nie. Also nicht vom Rad fahren. Dass man meinem Bruder einmal das Küchenkastl der Oma aus dem Hirn entfernen musste, lag ja nur daran, dass er ein Feigling war und flüchtete, statt seine gerechte, brüderliche Strafe zu empfangen. Und die Steine, die man ihm aus dem Kinn entfernte, hat er sich auch ohne Radl reingerammt - man muss halt schauen, wo man hinsteigt.

Jetzt, im Nachhinein betrachtet, ist es ein Wunder, dass wir es ohne Helm bis zur - zumindest körperlichen - Adoleszenz brachten. Heute gibt es das nimmer, dass ein Kind ohne Helm am Radl... Das wäre viel zu gefährlich. 80 Prozent aller Kopfverletzungen, die beim Radfahren passieren, können durch den Helm verhindert werden, sagt eine Studie. Eine andere sagt, dass erst recht Kopfverletzungen auftreten, wenn man einen Helm trägt.

In den späten 1980ern wies jemand in Australien nach, dass die Kopfverletzungen sogar ansteigen, wenn die Radfahrer einen Helm tragen. Für eine andere Studie sagten Verunfallte im Krankenhaus aus, dass ihnen der Helm das Leben rettete. Subjektiver Eindruck, monierten die einen - jene, die es nicht überlebt haben, können nicht erklären, dass ihnen der Helm nicht das Leben gerettet hat, meinen die anderen.

In Neuseeland untersuchte man ebenfalls und fand 1992 heraus, dass es keine Auswirkung auf den Prozentsatz der Kopfverletzungen hat, ob viele Radfahrer einen Helm tragen, oder nicht. Wieder andere fanden in Australien heraus, dass die Anzahl der Radfahrer bei Einführung einer Helmpflicht rasch absinkt. Da sind dann wieder welche hergegangen und haben nach Einführung der Helmpflicht herausgefunden, dass fast alle Verunfallten einen Helm getragen haben, weshalb der Helm voll gefährlich sein muss.

Bevor ich am Radl einen Helm aufsetze, meinen wieder welche, müssen alle, die Auto fahren, einen tragen, weil das Risiko einer Kopfverletzung im Auto ist gleich groß (oder bis zu 17 Mal größer, je nach Studie) wie am Fahrrad. Und wenn das erklärt ist, findet sich bestimmt einer, der, wie ich, rausgefunden hat, dass man gar nicht jedes Mal auf den Kopf knallt, wenn man vom Fahrrad fällt. Außerdem schränken Helme die Sicht ein und schlecht sitzende Helme sind sowieso lebensgefährlich.

Helme erzeugen außerdem ein Sicherheitsgefühl, das den Radfahrer viel riskanter fahren lässt, weswegen es zu noch mehr Unfällen kommt. Mir verdrückt er außerdem die Haare - gut, viele sind es eh nicht mehr. Unterm Helm ist es heiß und das kann wiederum die Konzentration mindern. Viel gescheiter wäre es, wenn man Geschwindigkeits- und Alko-Kontrollen machen würde, geht das Argumente-Dauerfeuer weiter.

Jetzt, wo alle Rennfahrer einen Helm tragen, fahren auch normale Leute lieber damit. Wurscht - wenn er gerade in Mode ist, soll er von mir aus auch sicher sein. Früher waren Fahrradhelme nicht modern. Wir haben aber auch keine Radrennen im Fernsehen gesehen. Wir sind lieber draußen Rad gefahren, bis wir blutend auf der Terasse saßen. Ein Wunder, dass wir das damals überlebt haben. (Guido Gluschitsch)