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Bild: archiv

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, und vor allem generiert es ungleich mehr Daten als tausend Worte, mehr in der Gegend von einem ganzen Roman allein für einen Schnappschuss aus dem vergangenen Urlaub. Damit man mit diesen Daten, die inzwischen sintflutartig aus digitalen Fotoapparaten, Videokameras und Handys strömen, etwas anfangen kann, braucht es neue Infrastruktur - leistungsfähigere PCs für das eigene Archiv, bildfähige Handys, bessere Internetzugänge und schnelleren Mobilfunk.

Umbruch im Mediengebrauch

Auf diese Hoffnung setzt heuer bei der CeBIT eine ganze Industrie, die ikarusgleich den Absturz nach dem Höhenflug erfahren hat. In unserem persönlichen Mediengebrauch - das, was wir produzieren, im Gegensatz zu dem, was wir konsumieren - findet ein Umbruch statt. Denn obwohl die vergangenen Jahrzehnte zweifellos Jahrzehnte der Bilder waren, bewegten wie stehenden, waren wir vor allem ihre Konsumenten und nur zu einem kleinen Teil ihre Produzenten. Die Milliarden privater Bilder, die jährlich erzeugt werden, blieben privat, allenfalls im kleinen Kreis von Freunden und Familie verteilt, irgendwann in Schubladen und Schachteln für die nächste Generation mehr schlecht als recht verstaut.

Bilder überall und jederzeit

Durch die Digitalisierung des Bildes verändert sich diese Gleichung in zweifacher Hinsicht. Zwar haben private Aufnahmen seit dem berühmt gewordenen Amateurfilm des Abraham Zapruder, der zufällig die Ermordung von John F. Kennedy filmte, immer öfter öffentliche Momente dokumentiert. Bald jedoch werden Kameras immer im Spiel sein, wenn jedes Handy knipsen und filmen kann - die Zahl der Bildquellen wächst damit praktisch ins Unendliche. Mehr noch, diese Bilder können ohne Aufwand kopiert und verteilt werden, per Mail und Internet, sodass der private Augenblick durch Zufall oder Absicht jederzeit (veröffentlich(t) werden kann. Reality-Shows haben nur einen Vorgeschmack auf das Zeitalter des Voyeurismus und Exhibitionismus gegeben.

Ansturm der (un)schönen Bilder

Diese Entwicklung ist dieser Tage in Hannover zu sehen: Digitalkameras sind längst Mainstream, wenn auch noch immer eine Minderheit unter den Hunderttausenden Kameras in den Händen von Amateurfotografen. Und integrierte Kameras werden heuer zum Standard bei Handys und werden damit in Kürze die Masse des Markts ausmachen. Höchste Zeit, dass wir uns für den Ansturm der privat produzierten Bilder wappnen, die nicht nur schöne Augenblicke festhalten werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 14. 3. 2003, Rondo, Helmut Spudich)