Am unbesetzten Grenzposten der Freien Bundesrepublik Kuhberg in Boøetice wird deutlich, dass man in diesem Staat nicht alles todernst nimmt. Unten die Karte des Königreichs Wallachien, auch Zwetschkenland (Švestkozemì) genannt.

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Es kommt nicht so oft vor, dass die Bürger eines Landes sich glücklich schätzen können, von zwei Ministerpräsidenten gleichzeitig regiert zu werden. Genau in dieser Lage befindet sich derzeit Tschechien, wo es neben dem scheidenden Premier Mirek Topolánek, dessen Regierung Ende März zurücktreten musste, noch einen neuen gibt, Jan Fischer, der zwar schon formell ernannt wurde, aber sein Kabinett erst zusammenstellt.

Die Angelegenheit wäre nur eine Randnotiz wert, hätte Tschechien nicht zufälligerweise den EU-Vorsitz inne. Somit ist die Frage angebracht, wer denn nun eigentlich an der Spitze der 27er-Gemeinschaft steht: Ist es noch Topolánek oder schon Fischer? Bei wem sollen die übrigen Weltenlenker in Prag anrufen, sollten sie das Bedürfnis verspüren, mit dem amtierenden EU-Ratsvorsitzenden über globale Probleme zu sprechen?

Noch größer freilich wäre ihre Verunsicherung, ahnten sie, dass es im Innenleben der Tschechischen Republik noch weitaus komplizierter zugeht. Mindestens zwei weitere Staatsgebilde im Rahmen Tschechiens pochen darauf, eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben: das Königreich Wallachien und die Freie Bundesrepublik Kuhberg.

Ersteres liegt in Ostmähren und erstreckt sich von der Schuhmetropole Zlín mit ihren legendären Bat´a-Werken im Süden über die Stadt Vizovice, die für ihre Tradition des Schnapsbrennens bekannt ist, bis hin zu Rožnov in den mährisch-schlesischen Beskiden im Norden. Die Idee, diese strukturschwache Region mit der Etablierung einer eigenen Marke in der Gestalt des „Königreiches Wallachien" zu fördern und Touristen anzulocken, wurde 1997 geboren.

Was relativ bescheiden mit Veranstaltungen wie Kirschkern-Spucken oder Zwetschkenknödel-Wettessen begann, sollte sich bald als Erfolgsgeschichte herauskristallisieren. Das Königreich hat eine eigene „Verfassung", zu deren Grundprinzipien es gehört, dass sich die Bürger Wallachiens frei und mit Humor zu allem äußern dürfen, was auf dieser Welt geschieht; ihre Aufgabe ist es gemäß Verfassung, sich über alles lustig zu machen - immer und überall.

Härteste Währung der Welt

Als weitere wichtige „Souveränitätssymbole" wurden das Autokennzeichen „VK" eingeführt und eigene Pässe ausgegeben, eigene „Konsulate" im Ausland eröffnet und natürlich auch eine eigene Währung, der „Valsar", etabliert. Dessen Umrechnungskurs zum Euro ist 1:1. Ebenso selbstverständlich ist, dass diese Währung laut wallachischer Sprachregelung „die härteste der Welt" sei, und das nicht etwa deshalb, weil sie durch Gold gedeckt wäre, sondern durch Heu, „wovon es auf dem Gebiet des gesamten Königreichs unendliche Mengen gibt und somit nie die Gefahr besteht, dass der Valsar an Wert verlieren könnte".

Während im Königreich Wallachien die Zwetschke in allen ihren Aggregatzuständen - am bekanntesten wohl in Gestalt des Sliwowitz - das Maß aller Dinge ist, dreht sich in der Freien Bundesrepublik Kuhberg alles um die Weinrebe. Die Republik, knapp 30 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, ist etwas jünger als das Königreich Wallachien. Sie ist im Jahr 2001 als Zusammenschluss von Winzern im südmährischen 1300-Seelen-Ort Boøetice (deutsch Boretitz) entstanden, dessen 260 Weinkeller rund um den Berg Kravi hora (Kuhberg) liegen. Auch hier gibt es eine Verfassung, weiters eine achtköpfige Regierung mit einem Präsidenten an der Spitze.

Mittlerweile hat die „Bundesrepublik" auch eigene Pässe herausgegeben, Konsulate im Ausland eröffnet und eine eigenständige Währung - den Kravihorec (Kuhberger) eingeführt.
Nichts ernst zu nehmen ist als oberstes Prinzip auch den Kuhbergern eigen. So wird etwa in der geltenden „Verfassung" der Winzer-republik derjenige als Winzer definiert, der „die Schlüssel zum Weinkeller besitzt. Kindern und alten Weibern ist der Besitz der Schlüssel verwehrt".

Aber auch außenpolitisch setzte die Freie Bundesrepublik schon einmal wichtige Akzente: Als im Februar 2002 das von der FPÖ initiierte Anti-Temelín-Volksbegehren stattfand, entschlossen sich die Kuhberger zu einer gewagten Gegenaktion. Sie starteten in Brünn am 22. Februar 2002 genau um 14 Uhr, 22 Minuten und 22 Sekunden einen Demonstrationszug durch die Stadt. Ihre Forderung damals war einfach und einleuchtend zugleich: nämlich das Riesenrad im Wiener Prater anzuhalten, um zu verhindern, dass durch dessen Bewegung Frost von Wien auf die südmährischen Weinberge gelangt. (Robert Schuster aus Prag, DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2009)