Der Bundesschulsprecher Nico Marchetti ruft die Schüler und Schülerinnen in einem offenen Brief zu einem Boykott des PISA-Testes auf. „Wir wollen im Bildungsstreit nicht länger ignoriert werden." So will er mit dem Boykott auf die Missstände in der österreichischen Bildungspolitik aufmerksam machen. Die Getesteten sollen zwar nicht die Teilnahme verweigern, aber den Fragebogen einfach nicht ausfüllen, rät Marchetti.

Die Schüler, die Marchetti und der Bundesobmann der VP-nahen Schülerunion Matthias Hansy als „größte Berufsgruppe des Landes" bezeichnen, verfügen über kein Streikrecht. Daher ist für Marchetti ein Boykott des PISA-Testes eines der wenigen Druckmittel, um den Schülern in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Als Ziel gab Marchetti an, dass mindestens 15 Prozent der Schüler den Fragebogen unbeantwortet abgeben.

Ultimatum an Schmidt abgelaufen

Unmittelbarer Anlass für den Boykott ist ein am Mittwoch unbeantwortetes abgelaufenes „Ultimatum" an Unterrichtsministerin Claudia Schmidt, in dem die Bundesschülervertretung drei zentrale Punkte forderte: Maßnahmen zur innerschulischen Qualitätssicherung und - verbesserung, keine zentrale Matura und die Einführung von mitbestimmenden Schulpartnergremien mit Eltern, Lehrern und Schülern auf Bundes- und Landesebene.

Die Kritik von Marchetti richtet sich ausschließlich gegen die Ministerin; auch er kommt aus der VP-nahen Schülerunion. „Im Bildungssystem ist genug Geld drinnen", lässt er keine Kritik an Finanzminister Josef Pröll zu. Der 19-Jährige steht kurz vor seiner HAK-Matura. „Ich weiss halt, wie man mit Geld umgeht." Daher fordere die Bundesschülervertretung laut Marchetti auch gar keine kostenintensiven Maßnahmen, sondern besseres Qualitätsmanagement wie zum Beispiel bessere Evaluierung von Lehrern. Als ÖVP-Parteisoldaten wollen sie sich deshalb natürlich nicht verstehen: „Es gibt keine parteipolitischen Interessen. Wir sind auch der Ministerin Gehrer immer kritisch gegenüber gestanden."

Neue Mittelschule „Marketinggag"

Auch von den Lehrern wollen sich die beiden „sicher nicht" instrumentalisieren lassen. „Die Forderungen der Lehrer und Schüler sind unterschiedlich. Wir haben nur in der Kritik an Schmidt einen gemeinsamen Nenner gefunden." Für die Anliegen der Lehrer haben die Schülervertreter zwar Verständnis, nicht aber für die Streiks: „Die werden nur auf dem Rücken der Schüler ausgetragen"

Am Lieblingsprojekt der Ministerin, der „Neuen Mittelschule", lassen die beiden kein gutes Haar. Sie sei ein Marketinggag, in deren Versuchsschulen „enormes Geld reingepumpt wird, von dem nur ein Bruchteil der Schüler profitiert." Das führe zu Ungerechtigkeiten. Ohnehin sei man prinzipiell gegen jede Gleichmachung, die individuellen Stärken müssen in der Schule gestärkt werden.

Marchetti im Ministerium unerwünscht

Sollte die Ministerin nicht auf den Boykott reagieren, werde die Bundesschülervertretung die Ministerin zum Rücktritt auffordern. Denn der Widerstand innerhalb der Schülerschaft gegen Schmidt sei nicht nur punktuell, sondern schon ein „Flächenbrand". Bundesschulsprecher Marchetti monierte auch den Umgang des Ministeriums mit der Bundesschülervertretung: „Obwohl es im Gesetz festgeschriebene Treffen der Ministerin und des Bundesschulsprechers gibt, hat es dieses Jahr erst einen informellen Gesprächstermin gegeben. Bis Juni hat die Ministerin noch Zeit." Auch in die Arbeitsgruppe „Zentralmatura" kam Marchetti als Schülervertreter nicht, da er da er dort „nicht erwünscht" war.

Der Sprecher der Schülerunion Matthias Hansy sieht das ähnlich. Der 21-Jährige studiert zwar schon Jus, doch die Schulpolitik lässt ihn nicht los. „Wir fordern nichts anderes, als die gewählten Vertreter stärker einzubinden. Seit drei Jahren bemühen wir uns, Kontakt zum Ministerium aufzunehmen. Aber in den Arbeitsgruppen sitzen nur linke Schülervertretungen, wie der Verein „Coole Schule", der gar keine offizielle Vertretungsbefugnis hat." (Christoph Böhmdorfer, derStandard.at)