Foto: Florian Auer

Als Anti-Christ versteht sich Laizismus-Initiator Niko Alm nicht. Er will nur, dass die katholische Kirche "ein Verein wie jeder andere in Österreich" wird.

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"Wir trennen jetzt Staat und Religion!", lautet die Ansage von Niko Alm. Der Geschäftsführer einer Werbeagentur gründete eine Laizismus-Initiative. Seine Forderung richtet sich dezidiert nicht gegen die katholische Kirche, sondern gegen überkommene Privilegien der anerkannten Religionsgemeinschaften in Österreich. Zentrale Forderung: die Abschaffung des Religionsunterrichts.

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derStandard.at: Die mediale Präsenz der katholischen Kirche schnellt zu Ostern und Weihnachten regelmäßig in die Höhe. Stört Sie das, wenn Benedikt XVI. über ORF2 seinen Segen spendet?

Alm: Nicht persönlich, ich will mich nur nicht damit auseinander setzen müssen. Wenn es eine juristische Notwendigkeit wäre, dass der ORF das ausstrahlt, dann stört es mich. Ich will den Katholiken und sonstigen Gläubigen nicht das Recht absprechen, medial vorzukommen. Das ist ein Verein mit sehr vielen Mitgliedern. Die haben eine gewisse Öffentlichkeit - ich will nicht sagen: verdient, aber doch das Recht darauf. Was dort geredet wird, stört mich auch nicht, weil es keinen Nachrichtenwert hat. Wenn "Urbi et orbi" kommt, poste ich auf derStandard.at regelmäßig: "Fahrradl in China umgefallen".

derStandard.at: In Österreich gibt es laut kirchlicher Statistik der Diözesen Österreichs 5,6 Millionen Menschen mit römisch-katholischem Bekenntnis (Stand: 31. 12. 2007). Ein gewisser Einfluss der Kirche ist da doch nachvollziehbar?

Alm: Ich will der Kirche auch gar nicht den Einfluss nehmen. Das Glockengebimmel ist das geringste Problem. Von diesen 5,6 Millionen sind wohl höchstens 20 Prozent auch wirklich nach Definition der Kirche gläubig. Man muss nämlich eine ganze Menge Dinge glauben, um wirklich als gläubig auch durchzugehen. Den Test würden 80 Prozent dieser eingetragenen Taufschein-Christen überhaupt nicht bestehen. Umso schlimmer finde ich, dass dann mit dieser großen Zahl alle möglichen Dinge gerechtfertigt werden. Die große Zahl macht die Dinge nicht wahr. Die Kirche könnte genauso gut ein Verein sein und Vereinsrechten unterliegen wie jeder andere in Österreich auch.

derStandard.at: Das Konkordat gibt es seit 1933. Die katholische Kirche ist in der österreichischen Kultur seit Jahrhunderten verhaftet, früher stärker als heute. Warum gerade jetzt eine Laizismus-Initiative?

Alm: Es gibt das "Warum gerade jetzt" nicht. So wie sich die Kirche entwickelt hat, war das ein Prozess, der 2000 Jahre gedauert hat. Und es gibt Bewegungen gegen diese alteingesessenen Rechte, deren Legitimität man hinterfragen und vehement bekämpfen kann - im Sinn von Meinungsbildung und Aufzeigen von rechtlichen Privilegien, die eigentlich nicht existieren dürften.

derStandard.at: Sie kritisieren, die Trennung von Staat und Kirche sei nicht ausreichend. Ist diese Trennung aber nicht bis auf ein paar Überbleibsel im Wesentlichen vollzogen?

Alm: Das stimmt. Ich will gar nicht bestreiten, dass die wenigen Privilegien harmlos bis irrelevant sind. Mit einer einzigen großen Ausnahme: dem Religionsunterricht. Gäbe es den Religionsunterricht in dieser Form nicht, wäre der Sinn der Initiative zu hinterfragen. Weil die paar Lappalien im Vergleich zur nicht erlaubten Homo-Ehe wirklich nur Lärcherln sind.

derStandard.at: Sie sagen: Im Religionsunterricht werden Märchen als Tatsachen präsentiert. Der Religionsunterricht vermittelt aber auch Traditionen und Werte. Der durchschnittliche Schüler begreift doch, dass in Biologie die wissenschaftliche Evolution und in Religion der Schöpfungsmythos gelehrt wird.

Alm: Wenn das so ist, dann ist es gut. Das Problem ist nur, dass der Staat die Religionszugehörigkeit als Kategorien bildendes Merkmal anerkennt. Der Staat sagt, es gibt diese und jene - an der Zahl 14 - Kirchen und Religionsgemeinschaften, die durch gesetzliche Sonderrechte privilegiert sind und Religionsunterricht veranstalten dürfen. Wenn der Religionsunterricht vielerorts harmlos ist - wie auch ich ihn erlebt habe -, erfahren trotzdem nicht alle Schüler denselben Religionsunterricht. Dass nicht allen Kindern derselbe Unterricht zuteil wird, allein das ist ein Problem, ganz egal wie moderat der Unterricht sein mag.

derStandard.at: Was stört Sie sonst noch?

Alm: Der Blasphemie-Paragraph, weil er die Herabwürdigung religiöser Lehren und auch der Personen, die diese Lehren verbreiten, unter Strafe stellt. Das ist nicht einzusehen. Verkürzt gesagt: Religiöse Gefühle werden in diesem Paragraphen als Gefühle dargestellt, die besonderen Schutz erfahren. Ich behaupte einmal, diese religiösen Gefühle gibt es überhaupt nicht. Das einzige religiöse Gefühl, das ich kenne, ist Wehleidigkeit. Egal wie vorsichtig ich Dinge formulieren mag, es gibt immer sofort Leute, die wehleidig sind. Die Wehleidigkeit einer Person dazu zu benützen, Äußerungen von anderen unter Strafe zu stellen, ist schon ein starkes Stück.

derStandard.at: Diese Forderungen würden auch das Ende des Konkordats bedeuten.

Alm: Natürlich, das wäre eine notwendige Konsequenz. Das Konkordat mit dem Vatikan müsste zumindest von österreichischer Seite einseitig aufgelöst werden. Ob das rechtlich möglich ist, ist mir auch völlig egal. Es gibt ja immer wieder alle möglichen Juristen, die sagen, aus diesem und jenem Grund gehe das nicht. Meine Meinung ist: Es geht alles, wenn man nur will.

derStandard.at: In Ihrer Erklärung gehen Sie auf die "(Fehl-)Leistungen" der Religionen wie Inquisition, Beschneidung und Erbsünde ein. Sieht man sich Talmud, Bibel und Koran an: Die Werte, die dort vermittelt werden, sind doch zum Teil nicht so schlecht?

Alm: Ist das wirklich so? Schauen wir uns mal die Zehn Gebote an: Gebot 1, 2 und 3 stellen einzig und allein auf einen eifersüchtigen Gott ab, dessen Name und Tag geheiligt werden muss. Wo da der Wert verborgen ist, weiß ich nicht. Du sollst nicht stehlen, du sollst nicht lügen - lasse ich mir einreden, ist auch in unseren Gesetzesbüchern so abgebildet. Alles andere ist als Wert zur Disposition zu stellen. Das sind aber so Dinge, die meine Initiative gar nicht kritisieren will. Es gibt sicher Werte, die okay sind und welche, die es nicht sind. Genauso wenig halte ich es für legitim zu sagen, Nicht-Gläubige hätten diese und jene moralischen Vorstellungen, und deswegen sei das Nicht-Glauben verwerflich.

derStandard.at: Der Chefredakteur der "Presse" betont in seinem Wort zum Sonntag auch den praktischen Nutzen des Glaubens: Der Gläubige habe "Sinnreserven, die sich auch dann mobilisieren lassen, wenn die Tanks der ausschließlich Erfolgsbewegten längst leer sind".

Alm: Solche Aussagen sind jämmerlich und fürchterlich. Das halte ich im Kopf nicht aus. Das ist genau das, was natürlich passiert: dass Menschen über den Glauben für ganz andere Zwecke instrumentalisiert werden, die mit dem Glauben gar nichts zu tun haben. Wenn man sich das Religionsrecht genauer ansieht, wird man draufkommen, dass sehr viele Gesetze und gesetzliche Konstruktionen nur existieren, um den Status Quo möglichst kontrollierbar zu halten. Das ist ein Pragmatismus, der fast schon zynisch ist.

derStandard.at: Die Initiative hat bis heute rund 1.400 Unterstützer - gibt es ein bestimmtes Ziel?

Alm: Es gibt ein Ziel, das vielleicht ein bisschen hoch gegriffen ist, aber große Symbolkraft hat. Das sind 16.000 Unterschriften, weil das zwei Promille der Bevölkerung sind: die kritische Größe, um als Kirche oder Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Als solche wollen wir natürlich nicht anerkannt werden. Wir wollen nur zeigen, dass es mit unserem Anliegen gleichermaßen legitim ist, Gehör zu finden.

derStandard.at: Ihre Erklärung wollen Sie ans Parlament übergeben - was soll damit passieren?

Alm: Ja, ich möchte sie jeder Partei in die Hand drücken und sagen: Das sind unsere Unterschriften, das ist unser Anliegen. Macht's was damit! Ich erwarte mir zumindest eine Diskussion darüber.

derStandard.at: Eine parlamentarische?

Alm: Das wäre schön, ja. Ich will nur, dass es irgendeine Partei ins Parlament bringt. Mir ist auch relativ egal, welche. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 16.4.2009)