Ich aber stürmte vorwärts und jubelte der Erde, dem Himmel und dem Wind zu: "Schaut mich an! Seht, wie stolz ich bin. Ich werde in die Schule gehen und auch andere Kinder mitbringen!"
Diese Worte der Begeisterung lässt der kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow in seinem Roman Der erste Lehrer das Mädchen Altynai sagen. Das Buch beschreibt die unbefangene Lernbegierde, die jedes Kind hat (wenn man sie ihm nicht austreibt). Vor allem aber zeigt Aitmatow anhand des jungen Düischen, worauf es in der Schule besonders ankommt: auf die Lehrer.

Die Lehrerinnen - sprechen wir sie doch als die an, die sie sind: die absolute Mehrheit der Berufsgruppe ist weiblich - sind die zentralen Figuren in der Schule. Sie prägen das Schulbild - das öffentlich kollektive, das persönlich erinnerte.

Aber die inhaltliche Dimension von Schule und Lehrer/in-Sein gerät bei sich im Kreis drehenden Debatten wie der aktuellen um budgetär erzwungene Notfallpakete und angedrohte Lehrer-"Protesttage" oft aus dem Fokus: Welche Schule wollen wir eigentlich? Wie soll denn "der erste Lehrer" - und alle, die ihm folgen - idealerweise sein?
Es beginnt schon damit, dass "der erste Lehrer" mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Lehrerin ist. Das ist per se nicht schlecht, aber es zeigt eine gesellschaftspolitisch problematische und folgenreiche Ignoranz der Männer gegenüber dieser pädagogischen Großtat zugunsten jüngerer Kinder, die an Frauen delegiert wurde.

Die Strukturen der Schule sind auch in anderen Punkten von der Lebensrealität weit entfernt. So ist eine Schule, in der Nachmittagsbetreuung noch immer als leidiges Zusatzangebot gilt, lebensfremd und bevormundend, weil sie implizit voraussetzt, dass daheim eh irgendwer - meist meint das die Mama - da ist. Dabei würde die Ganztagsschule auch die Lehrer von der irgendwie peinlichen Stilisierung als pädagogische Stundenlöhner befreien, die ihnen jetzt im Streit um ein oder zwei Schulstunden mehr anhaftet. Sie hätten kein Legitimationsproblem mehr, wenn die Schule ein normaler, gut ausgestatteter Ganztagsarbeitsplatz wäre.
Hören wir auch damit auf, Schulen als geschlossene Gesellschaften zu organisieren, in denen nur Platz für drei Berufe ist: Lehrer/innen, Schulwarte und Reinigungskräfte. Öffnen wir sie für andere Professionen: Psychologinnen, Sozialarbeiter, "Gast-Lehrende" aus der Arbeitswelt. Es wird den Blick der Kinder und der Erwachsenen auf das Leben einschneidend verändern.
Lassen wir Migrantinnen nicht nur als Putzfrauen in die Schulen: Als Lehrerinnen sollen sie von den Kindern, darunter immer mehr junge Österreicher "mit Migrationshintergrund" , erlebt werden. Als Vorbilder, als Möglichkeitsmenschen. Auch darum sind die jetzt in den Stundenkampf geratenen Deutschförderkurse so wichtig.

Machen wir Schluss mit Unterrichtsportionen à 50 Minuten: Jeder, der Kinder schon einmal beobachtet hat, weiß, wie selbstvergessen sie in einen Lernprozess eintauchen können. Wenn es genug ist, hören sie auf. Ist es öd, schalten sie schon viel früher innerlich ab.
Bauen wir Schulhäuser so (um), dass sie keine bloßen Durchzugshäuser für lernende und lehrende Passanten sind. Räume können Lernen fördern oder behindern. Nicht ohne Grund nennen die Schweden das Schulgebäude den "dritten Lehrer" . Der zweite sind die eigentlichen Lehrer. Der erste Lehrer der Kinder sind demnach die anderen Kinder.
"Ich nehme mir so manches vor, aber nicht immer gelingt es mir. Und auch jetzt weiß ich nicht, was für ein Bild ich malen werde. Aber eines weiß ich: Ich werde suchen" , sagt Altynai. Das ist es, was die Lehrer/innen leisten sollen: die Lust am Lernen wecken, die Neugier am Lodern halten. Denn die Schule mag ein Ende haben, das Lernen nicht. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD-Printausgabe, 15. April 2009)