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Weinanbau in England: Inzwischen längst wieder Normalität, gelang er im Mittelalter aufgrund besonderer klimatischer Umstände.

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Birmensdorf - Vom 9. bis ins 14. Jahrhundert hinein erlebte Europa eine langanhaltende Periode milden Klimas - zumindest in Relation zur Zeit davor und der unmittelbar danach. Rekonstruktionen der Temperaturen während der sogenannten "Mittelalterlichen Warmzeit" lieferten unterschiedliche Werte, und vor allem im Vergleich mit dem aktuellen Klima wird jede Berechnung skeptisch beäugt und heftig diskutiert: Denn die "Mittelalterliche Warmzeit" dient bis heute denjenigen, die eine vom Menschen verursachte Klimaveränderung bestreiten, als Argument. Wenn in der Zeit vor der Industrialisierung in England Wein angebaut werden konnte - was spätestens seit den 1990ern in großem Stil wieder gemacht wird -, dann könne auch die jetzige Erwärmung rein natürlichen Ursprungs sein.

Schweizer Forscher um Valerie Trouet von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmensdorf gingen den möglichen Ursachen der mittelalterlichen Klimaanomalie nach, wie der "New Scientist" berichtet. Dafür untersuchten sie die Jahresringe von Zedern im marokkanischen Atlasgebirge und das Wachstum eines Stalagmiten in einer Höhle in Schottland: Beides lässt Aufschlüsse darüber zu, wie feucht es in den betreffenden Regionen im Verlauf des letzten Jahrtausends gewesen ist. Das Ergebnis in verkürzter Form: In Schottland war es über lange Zeit sehr feucht, in Marokko sehr trocken. Und das ist deshalb von Bedeutung, weil es einen großen Druckunterschied in der Atmosphäre widerspiegelt: Zwischen dem Islandtief, das die schottische Wetterlage prägt, und dem Azorenhoch im Süden. Hoher Druckunterschied zwischen den beiden Regionen bedeutet eine starke Nordatlantische Oszillation (NAO) - jenes Phänomen, das bei positivem NAO-Index warme Winde nach Europa hereinträgt. Im Mittelalter scheint dies über einen ungewöhnlich langen Zeitraum hinweg stabil geblieben zu sein.

Die Messungen konnten nicht bis zum historischen Beginn der Warmzeit zurückverfolgt werden, für den Zeitraum von etwa 1050 bis 1400 fanden die Forscher jedoch einen eindeutig positiven Zusammenhang. Sie gingen auch über die Untersuchung des Nordatlantischen Großraums hinaus und zogen Aufzeichnungen über die Verhältnisse in anderen Weltregionen heran. Sie fanden Anzeichen dafür, dass im selben Zeitraum im tropischen Pazifikraum das bekannte El Niño-Phänomen hinter seinem "Gegenstück" La Niña zurücktrat. Beide Meeresregionen sind über die thermohaline Zirkulation (das sogenannte "Globale Förderband") miteinander verbunden. La Niña im Pazifik und eine positive NAO könnten sich wie in einer Feedbackschleife gegenseitig verstärkt haben - bis andere Faktoren wie veränderte Sonneneinstrahlung oder Vulkanismus den Kreislauf schließlich wieder durchbrachen. (red)