Unter den 51 Archivbeständen, die Österreich von Russland zurückerhalten wird, sind auch einige Akten jüdischer Privatpersonen. Die wichtigen Archivalien jüdischer Organisationen aber bleiben weiterhin im Sonderarchiv von Moskau: Wiewohl im April 2007 mit den Russen vereinbart wurde, die noch nicht geklärten Archiv-Restitutionsfälle "raschest" zu lösen, kann Lorenz Mikoletzky, der Generaldirektor des Staatsarchivs, bis dato keine Ergebnisse vorweisen.

Ein Problem ist, dass mitunter Akten österreichischer und deutscher Provenienz zusammengelegt wurden. So beinhaltet z. B. der Fond 682 Dokumente katholischer Studentenverbindungen in Düsseldorf und Wien, der Fond 632 Dokumente der Österreich- wie der Deutschland-Sektion der Internationalen Bach-Gesellschaft. Nach Auswertung vorhandener Findmittel wies die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) schon im Juni 2007 darauf hin, dass diese Problematik nur in einem einzigen Fall auf jüdische Akten aus Österreich zutreffen dürfte (Fond 1325).

Ariel Muzicant, Präsident der IKG, meinte damals, dass dieser eine Fall "kein Hindernis für die Rückgabe" all der jüdischen Materialien darstellen sollte. Er schlug vor, alsbald Experten ins Sonderarchiv zu entsenden, um den österreichisch-jüdischen Bestand zu sichten. Von größtem Interesse waren und sind für die IKG natürlich die Dutzenden hebräischen Handschriften: Sie waren anfangs komplett im Sonderarchiv, sind heute teilweise aber auch in der Russischen Staatsbibliothek.

Die erste Moskau-Reise fand erst im April 2008 statt. Der Abschluss der Recherche sollte im November folgen. Da die Handschriftenabteilung wegen Umbauarbeiten geschlossen war, musste sie auf März 2009 verschoben werden. Delegationsleiter Avshalom Hodik, Lothar Hölbling und Ingo Zechner, der neue Geschäftsführer des Wiesenthal Instituts, konnten bei fast allen der damals gesichteten jüdischen Akteneinheiten die österreichische Provenienz feststellen.

In Moskau lagern jedenfalls, wie auf der Homepage www.sonder archiv.de aufgelistet ist, die Akten der Kultusgemeinden Wien und Graz, des Bundes jüdischer Frontsoldaten, der Israelitischen Allianz, des Verbandes der jüdischen Legitimisten, der Organisation Zionistischer Frauen, der jüdischen Studentenverbindung Caritas, der Union österreichischer Juden, des Jugendvereins Berith Trumpeldor, des Kuratoriums der Israelitisch-theologischen Lehranstalt, des Verbandes der jüdischen Kaufleute und Handwerker und so weiter. Anhand all dieser Akten kann man etwa die Bemühungen um ein Arrangement mit dem austrofaschistischen System und gesellschaftliche Anerkennung ablesen. (trenk, DER STANDARD/Printausgabe, 04./05.04.2009)