Javier Solana will keine zusätzlichen EU-Soldaten in Afghanistan, sagte er am Randes des NATO-Gipfels.

Javier Solana, Generalsekretär des Rates der Europäischen Union, war zwischen 1995 und 1999  NATO-Generalsekretär. Während dieser Zeit baute Solana das Amt des NATO-Generalsekretärs um zahlreiche Befugnisse aus. Er war es auch, der am 24. März 1999 Befehl zum Beginn der Luftangriffe gegen Ziele in Jugoslawien erteilte. Darauf, und zur Tatsache, dass er in seiner Jugend zu den Verfassern des Pamphlets "50 Gründe, gegen die NATO zu sein" gehörte, wollte Solana im E-Mailinterview mit derStandard.at nicht eingehen. Das falle nicht in seinen "derzeitigen Aufgabenbereich" bei der EU.

Solana lobt die Beziehungen zwischen NATO und EU und erläutert die Zusammenarbeit des Bündnisses und der Union.

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derStandard.at: Sie waren von 1995 bis 1999 Generalsekretär der NATO. In diesen Tagen feiert das Verteidigungsbündnis sein 60. Jubiläum. Wo sehen Sie die derzeitige Konfliktlinien innerhalb der NATO? Zwischen den USA und den anderen? Dem "alten" und dem "neuen" Europa?

Solana: Die aktuellen Herausforderungen der internationalen Sicherheit sind sehr komplex in vielerlei Hinsicht. Die NATO erwägt derzeit ein neues strategisches Konzept, das beim Gipfel dieses Wochenende diskutiert wird. Auch ich werde mitdiskutieren.

derStandard.at: Inwiefern ist die sind die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Nato auch konkurrierende Ansätze, kommt es immer noch zu Kompetenzstreitigkeiten?

Solana: Wir benötigen beide, die EU und die NATO. Die Anwesenheit des einen stärkt den jeweils anderen. Sie ergänzen einander unter Beibehaltung ihrer Autonomie. Die fundamentalen Prinzipien, auf die die Beziehungen sich stützen, sind Beratung, Kooperation und Transparenz. Die Mandate der beiden Organisationen sind unterschiedlich, aber sie ergänzen einander. Die NATO ist die wichtigste transatlantische Allianz für die Sicherheit ihrer Mitglieder. Die EU ist eine politische Organisation, ein Player auf der Weltbühne, der eine sehr klare Palette an Instrumenten für externe Aktionen zur Verfügung hat. Sie umfasst wirtschaftliche Hilfe,  Handelsbeziehungen, Diplomatie, ziviles und militärisches Krisenmanagement. Wir brauchen beides, eine starke NATO und eine starke Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Beide Organisationen arbeiten auch weiterhin an einer reifen, ausgewogenen Partnerschaft.

Laut der "Berlin Plus"-Vereinbarung kann die EU ja auch auf NATO-Kapazitäten zurückgreifen, wenn die NATO selbst nicht involviert ist. Diese Kooperation funktioniert hervorragend, ein gutes Beispiel dafür ist EUFOR ALTHEA in Bosnien-Herzegowina. EU und NATO sind jetzt mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Zum Beispiel im Kosovo, in Afghanistan und im Golf von Aden. Wir haben auch bereits zusätzliche Arrangements für diese neuen Situationen getroffen.

derStandard.at: Wird Afghanistan und die Skepsis der neuen EU-Länder Russland gegenüber eine Zerreißprobe für die Beziehungen EU-NATO?

Solana: Der Konflikt zwischen Russland und Georgien im vergangenen Sommer hat beide, NATO und EU, zu einem Überdenken der Beziehungen zu Russland gebracht. Die EU führt den Dialog mit Russland auch im eigenen Interesse weiter. Das legitimiert nicht die Taten Georgiens oder Russlands, die unseren Werten und Prinzipien zuwiderlaufen. Die NATO verschob den NATO-Russland-Gipfel, der kurz nach dem Konflikt angesetzt war, hat sich aber jetzt dazu entschlossen, ihn doch abzuhalten.

Die Beziehungen zwischen der EU und Russland und zwischen der NATO und Russland sind wichtig. Jetzt existiert allerdings eine neue Atmosphäre in den Beziehungen. Die EU verhandelt gerade ein neues EU-Russland-Abkommen. Das ist sehr weitgefasst und reicht von wirtschaftlichen Aspekten über Justiz und Internes bis zu Kooperation in der Außenpolitik. Auch Wissenschaft, Forschung und Bildung wird angesprochen. (mhe, derStandard.at, 3.4.2009)