Von klein auf haben wir in der Lebensmittelhandlung gelernt, auf "Darf's a bissl mehr sein?" mit Kopfnicken zu antworten. Und nicht erst seit wir den Inder kennen, ist die aus Indien importierte Null die Lieblingswerbeziffer aller Mobilfunker. Darum muss es geradezu als obszön anmuten, wenn eines Tages eine Handyrechnung ins Haus flattert, bei der anstelle der erwarteten 30, vielleicht sogar 50 oder 60 Euro für den jugendlichen Handygebrauch 8600 Euro verrechnet werden.

Am Handy surfen

8600 Euro - das ist das neunfache Monatseinkommen eines Jugendlichen unter 20, ein halbes Jahreseinkommen eines jungen Menschen zwischen 20 und 25 Jahren. Und wenn es die Eltern zahlen, ist es immer noch das viereinhalbfache durchschnittliche Monatseinkommen in Österreich. Dabei war die junge Benützerin nicht einem betrügerischen Mehrwertdienst in die Hände gefallen oder hatte auf der Australienreise die zurückgelassene Liebe täglich mehrere Stunden am Telefon angeschmachtet, alles Dinge, vor denen wir gewarnt sind. Nein, sie hatte getan, wozu Mobilfunker inständig raten, um beständig sinkende Gesprächsgebühren etwas aufzufetten: Sie hatte auf dem Handy gesurft, und es wurde ein bissl mehr. Statt des mitgekauften 50-Megabyte-Pakets für zwei Euro monatlich waren es 600 Megabyte geworden - eine Handvoll YouTube-Videos, wie man sie unter Teenagern gern am Handy herzeigt.

770-fache Gebühr

Für das Überschreiten des (lächerlich geringen) Datenpakets wurde die 770-fache Gebühr des Grundpreises verrechnet. Im konkreten Fall war der Betreiber "kulant", die Rechnung nicht in der exorbitanten Höhe einzufordern. So kulant sind Betreiber meistens, wenn die Auswüchse ihrer schlechten Praxis publik werden. Aber dahinter steht ein inakzeptables Geschäftsmodell, das entweder für so viel Körberlgeld sorgt, dass den Betreibern die schlechte Nachrede egal ist - oder das so undurchdacht ist, dass es schlicht dumm ist. Denn es passiert nur relativ selten, dass die Rechnung so gigantisch ausfällt, dass der Weg zur Telekomaufsicht oder zum Konsumentenschutz unvermeidlich ist. Aber dafür gibt es eine Unzahl von Menschen, die statt vereinbarten relativ günstigen Paketen bei Überschreitung ein Vielfaches zahlen, dies aber zähneknirschend hinnehmen. Beispiele gefällig?

199 Datenverbindungen

Eine Schweizer Studentin in Wien fand auf ihrer sonst 25 Euro betragenden Monatsrechnung plötzlich 320 Euro Gebühren - für "199 Datenverbindungen" per Roaming, obwohl sie keine Daten am Handy nutzt. Die Erklärung: Am Handy lässt sich die automatisch hergestellte Netzverbindung nicht abstellen, nur über den Betreiber selbst. Oder Benutzer mobiler Datenkarten, die beim Überschreiten des billigen Pakets schnell ein paar hundert Euro mehr zahlen: Da kostet nämlich jedes Megabyte das Hundertfache und mehr gegenüber dem Paketpreis. Solche Praktiken sind unwürdig, und in der einen oder anderen Form stehen dabei alle Betreiber am Pranger. Da ist es auch keine Entschuldigung, dass der jüngste EU-Telekombericht den heimischen Mobilfunkern attestiert, zu den billigsten in Europa zu gehören.(Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe vom 2.4.2009)