STANDARD: Sie werden in Ihrem großen Forschungsprojekt, das Sie im Herbst in Wien starten, auch die evolutionäre Bedeutung der Musik erforschen. Worin könnte denn die liegen?

Fitch: Man weiß darüber ziemlich wenig, weil man diesen Fragen bis vor kurzen nicht wirklich nachgegangen ist. Umso erstaunlicher ist es, dass man in Charles Darwins zweitem Hauptwerk The Descent of Man aus dem Jahr 1871 rund zehn Seiten zur Entstehung der Sprache findet, auf denen er eine tiefe Beziehung zwischen Sprache und Musik behauptet. Musik ist für Darwin eine Art Vorstufe der Sprache gewesen.

STANDARD: Halten Sie diese Annahme für plausibel?

Fitch: Durchaus, denn sie kann erklären, warum Musik für uns so wichtig ist, eine so starke emotionale Wirkung hat und nicht zuletzt: warum Rockstars so reich und begehrt sind. Wenn wir mit Darwin davon ausgehen, dass Musik als eine "Vorsprache" früher einmal unsere Form der Kommunikation war, dann scheint das alles viel plausibler. Ich war ziemlich geschockt, als ich sah, dass diese Idee völlig unrezipiert geblieben ist, weshalb ich zu Darwins 200. Geburtstag einen Text darüber schrieb.

STANDARD: Wann haben unsere Vorfahren begonnen, sich mit Musik zu verständigen? Der britische Archäologe Steven Mithen behauptet ja, dass auch schon die Neandertaler gesungen hätten.

Fitch: Ich denke auch, dass Musik bereits seit Hunderttausenden von Jahren ein wichtiger Teil unserer Biologie ist. Im Grunde behauptet Mithen in seinem Buch The Singing Neanderthals ja nichts anderes als Darwin - ohne ihn allerdings nur ein einziges Mal zu zitieren.

STANDARD: Was weiß man über Musik bei Tieren?

Fitch: Das ist eine offene Frage. Wir werden im Rahmen unseres Projekts Musik auch Tieren, insbesondere Vögeln vorspielen. Ich bin aber ein bisschen skeptisch, was uns das lehren wird. Was man weiß, ist, das Papageien ein gut entwickeltes Rhythmusgefühl haben und sogar im Takt tanzen können. Aber das ist wirklich ein ganz neues Forschungsfeld.

STANDARD: War die Musik ein Grund, dass Sie vom schottischen St. Andrews nach Wien kommen werden?

Fitch: Das hat sicher ein bisschen mitgespielt, und ich freue mich schon sehr auf die Konzerte. Wichtig war aber auch, dass es meiner Freundin in Wien viel besser gefällt. Unsere Lebensqualität wird sich wahrscheinlich verdreifachen. Vor allem aber hoffe ich, mit meinen Wiener Kollegen Thomas Bugnyar und Ludwig Huber eine international erfolgreiche Gruppe für Kognitionsbiologie zu bilden. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.04.2009)