Für Aufregung sorgt eine geförderte Wohnanlage in Neumarkt bei Salzburg: Die Wohnungseigentümer müssen noch bis 2032 für eine als Forschungsprojekt geplante Solarheizung zahlen, die nie richtig funktioniert hat - Von Markus Peherstorfer

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Neumarkt am Wallersee - Gerhard Zdanovec ist ein "Querulant" - mit einem Schmunzeln bezeichnet sich der Salzburger Kaufmann selbst so. Zdanovec ist einer der Bewohner der Wohnhausanlage "Neumarkt II". Seine Frau steht gemeinsam mit den Eigentümern von zwölf weiteren Wohnungen vor Gericht. Der Gegner: Die Finanzprokuratur des Bundes.

80er-Jahre-Vorzeigeprojekt

"Neumarkt II" war Anfang der 1980er-Jahre ein Vorzeigeprojekt. Bauherr war das gemeinnützige Salzburger Siedlungswerk (SSW), das in vier Etappen 118 geförderte Eigentumswohnungen und zwei Tiefgaragen errichtete. Zusätzlich zur Fußbodenheizung um umgerechnet etwa 550.000 Euro ließ das SSW - zum ersten Mal im genossenschaftlichen Wohnbau in Österreich - eine thermische Solaranlage auf den Flachdächern installieren. Kostenpunkt damals: gut 1,3 Millionen Euro.

Wohnbau-Forschungs-Darlehen

Für die Finanzierung beantragte das SSW ein Wohnbauforschungsdarlehen vom Bundesministerium für Bauten und Technik, dem heutigen Wirtschaftsministerium. Das Darlehen über insgesamt 1,74 Millionen Euro werde gebraucht, weil es nicht möglich sei, "die Kosten eines Forschungsprojektes im Rahmen des geförderten Wohnbaues unterzubringen", schrieb das SSW in seinem Förderantrag 1977. Es sei "auch aus sozialen Gründen nicht akzeptabel, diese Forschungskosten auf die zukünftigen Wohnungsinhaber abzuwälzen".

Zahlende "Versuchskaninchen"

Genau das sei geschehen, sagt Zdanovec, die Inhaber seien als zahlende "Versuchskaninchen" missbraucht worden. 1983 waren sie erstmals mit Ratenzahlungen über einen Zeitraum von 47,5 Jahren konfrontiert. Mittlerweile belaufen sich die geforderten Beträge auf etwa 450 Euro jährlich pro Wohnung. Bis 2032 müssen die Besitzer noch zahlen.

Unwirtschaftlich

Funktioniert hat die Zusatzheizung nie so recht, sagt Zdanovec. Spätestens seit 1989 muss das auch dem Bautenministerium bekannt gewesen sein: In einem Bericht der TU Graz hieß es, keine der installierten Solaranlagen sei wirtschaftlich. Als Lebensdauer der Anlage nahm die Studie 20 Jahre an - nicht einmal die Hälfte des Finanzierungszeitraums.

2002 wurde die Solaranlage stillgelegt

Die Eigentümer erfuhren davon nichts, sagt Zdanovec. In einem ähnlichen Fall, der Solarheizung in der Gartenstadt Puchenau bei Linz, erließ das Ministerium 1992 den Wohnungsbesitzern das Restdarlehen von etwa 730.000 Euro. Im Fall Neumarkt II machte das Ministerium von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch. Als 2002 die Solaranlage endgültig stillgelegt werden musste, reichte es vielen der Wohnungseigentümer. Gemeinsam mit dem SSW, der Landesregierung und der Volksanwaltschaft appellierten sie an das Wirtschaftsministerium, auf die Rückzahlung zu verzichten - ohne Erfolg.

Vor Gericht

Seit 2006 weigern sich die Besitzer von 13 Wohnungen ihre Raten zu zahlen. Vom Wirtschaftsministerium wurden sie deshalb vor Gericht gestellt. Das Verfahren dauert noch an, ein weiteres Gutachten wurde in Auftrag gegeben. Ein Ministeriumssprecher wollte mit dem Standard am Dienstag unter Hinweis auf das "offene Verfahren" nicht über Details sprechen. Aber: "Wir werden natürlich bei einer verträglichen Lösung mitwirken." (Markus Peherstorfer, DER STANDARD - Printausgabe, 1. April 2009)