"Son Of The Velvet Rat" alias Georg Altziebler (mit Partnerin Heike Binder) zelebriert auf "Animals" klassisches Songwriting.

Foto: Pertramer

Lieder aus dem Grenzland zwischen Americana und französischem Chanson.

Wien – In einer Zeit, die immer schneller mit neuen Sensationen im Fachbereich Unglück und Verdruss aufwartet, hält Georg Altziebler mit sturer Festigkeit inne. Seine mit großer Emotionalität gesungenen schlechten Neuigkeiten erweisen sich als keinesfalls aktuell über uns herniederbrechend. Sie sind die ewig alten. Georg Altziebler, der ernsthafte, mittelalte junge Mann aus Graz, praktiziert seit Jahren und Jahrzehnten die hohe Kunst des klassischen Songwritings.

Dort, wo sonst meist US-amerikanische Genregrößen wie Lou Reed, Bob Dylan oder Townes Van Zandt und Leonard Cohen (alle alt) oder Will Oldham, Ryan Adams oder Conor Oberst (alle im Alter Altzieblers) das Sagen und Sachwalten ewigen Ungemachs unter ihrer Kontrolle halten, befindet sich auch die musikalische Heimat Altzieblers.

Der ehemalige Rockgitarrist und Sänger von Bands wie Pure Laine oder Bloom 05 hat sich mit seinem anfangs solo betriebenen und jetzt fallweise auf großformatige Band erweiterten neuen Projekt Son Of The Velvet Rat und Vorgängeralben wie Playground oder zuletzt Loss & Love seit Jahren darum bemüht, aus früheren Tagesmoden herauszukommen. Das ist nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch geografisch gemeint.

Altziebler, ein ernster, bedächtiger und nur selten im künstlerischen Ausdruck aufbrausender Mann mit einem Lachen, das an das Hochziehen des Mundwinkels des Tiroler Altlandeshauptmanns Eduard Wallnöfer erinnert, arbeitet sich an ewigen Werten, Nöten und deren sträflicher Missachtung ab. Altziebler kennt das Leben. Er findet dafür trotzdem noch Worte. Als für sich sprechendes Zitat mag hier der schöne Satz gelten: "Cut me like a flower / And keep me for a couple of days."

Das neue Album Animals ist wiederum in Nashville, Tennessee, unter der Regie des Freundes und ehemaligen Wilco-Drummers Ken Commer entstanden. Laut Altziebler eine 14-teilige Songsammlung als "Versuch über die Sehnsucht".

Mit zittriger, an jeder einzelnen Silbe des Vortrags hängender Kettenraucherstimme versucht sich Altziebler unter anderem mit Partnerin Heike Binder, Gästen wie dem Berliner Existenzialisten-Rocker Kristof Hahn (Ex-Swans und -Koolkings, jetzt bei Les Hommes Sauvages) und diversen Grazer Musikern an einer neuen Mischung alter Werte.

Die Liebe zur Neo-Country-, beziehungsweise Americana-Musik, einer intellektuellen, zumindest reflektiert gedeuteten Form des Songschreibens, die von den alten Cowboy-Klischees weggeht und auch moderne Einflüsse zulässt, wird mit europäischen Einflüssen kombiniert. Altziebler arbeitet vor allem auch mit den Vorgaben des Chansons.

Unter Zuhilfenahme ungewöhnlicher Saiteninstrumente wie Bouzouki und Mandoline, mit Quetsche und einem ins texanisch-mexikanische Grenzland weisenden Bläsersatz fordert Altziebler das alte, uneingelöste Versprechen aller großen Songwriter ein. Es geht darum, einen im konkreten Fall mithilfe naturalistischer Lyrik und oft in Akkordfolgen-Zeitlupe inszenierten Spannungsbogen zu entwerfen. Der entlässt uns dann eben nicht erlösend in den fröhlich losrockenden Refrain. Er bleibt im sehnsüchtig Zitternden verharren. Das ist eine große Kunst, die nur wenige Songschreiber zustande bringen. Warum sich Altziebler allerdings hinter englischen und französischen Texten versteckt, dieses Rätsel bleibt ungelöst. (Christian Schachinger/DER STANDARD, Printausgabe, 1.4. 2009)