"Fetzig", aber "klischeehaft": tschuschen:POWER

Foto: ORF/Hans Leitner

„Netter Versuch." Ivana Cucujkics Kommentar zum Sendestart der ORF-Serie „tschuschen:POWER" spricht Bände. Dabei sieht die „Chefica vom Dienst" der Wiener Stadtzeitung biber ja durchaus die gute Absicht hinter dem Format: „Für den ORF ist es ein guter Anfang", findet Cucujkic. „Aber ich weiß nicht ganz, wer die Zielgruppe sein soll."

"Schema Knickerbocker-Bande"

Sie selbst fühle sich vom „Schema Knickerbocker-Bande" jedenfalls nicht angesprochen. Auch biber-Redakteur Amar Rajković hält sich mit seinen 27 Lenzen für „zu alt" für das Format, das er aber ohnehin am falschen Sendeplatz sieht: „Fünf Uhr nachmittags - da schalten doch die gleichen Leute wie vorher bei ‚Willkommen Österreich' ein."

Dennoch: Die Serie sei ein „demokratiepolitisch wichtiger Schritt", findet Rajković, den es gleichzeitig wurmt, dass der ORF den Sendestart „so lange hinausgezögert" habe.

"Klischees"

„Dynamisch, fetzig, kurzweilig" sei die Serie schon, lobt der Redakteur. Oft gehe es aber auf Kosten der Tiefe: „Da kommt ein junges serbisches Mädel und fladert dem Businessmann sein Handy. Das sind Klischees." Und Cucujkic meint: „Wenn man als Regisseur Einblick in die Szene kriegen will, braucht es schon mehr, als zwei, drei Monate mit ihr abzuhängen."

"Die Realität"

„Nicht Stereotype, sondern die Realität" wolle man in „tschuschen:POWER" zeigen, betont Klaus Unterberger, Public Value-Beauftragter des ORF, der in der Sendung einen neuen Zugang zum Thema Diversität ortet. Die Serie sei „ein starkes Zeichen, dass sich der ORF der Herausforderung, Migranten im Programm abzubilden, sehr wohl bewusst ist", sagte Unterberger beim Symposium „Migrants in Mainstream Media", das vom Verein M-Media in Kooperation mit der britischen Botschaft am vergangenen Montag veranstaltet wurde.

Warum trotzdem keineR der ZIB-ModeratorInnen Migrationshintergrund hat? „Es wäre an der Zeit", gibt Unterberger zu. Doch die Zeit sei ihnen nicht gut gesinnt: „Die Politik will, dass wir 1000 Stellen einsparen. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an uns: Wir müssen mehr für Migranten und junge Menschen tun. Wir haben es wirklich nicht leicht."

Who knows who

Von Geldargumenten lässt sich Paul Macey, Chef des auf Diversity spezialisierten Beratungsunternehmens „The Creative Collecitve", nicht so recht überzeugen: „In der Krise heißt es, wir haben kein Geld für Migrantenförderung. Und wenn dann wieder Geld da ist, geht trotzdem nichts weiter." Alles faule Ausreden für latenten Rassismus? Nicht unbedingt, meint Macey: Einerseits regle sich der Zugang zu Medienjobs durch ein verfestigtes „Who knows Who"-System - wer an keine Branchenelite anknüpfen kann, hat es schwer. Zudem geistert immer noch die Vorstellung herum, Menschen aus Zuwandererfamilien könnten nur über Migrationsthemen schreiben, weiß Macey auch aus eigener Erfahrung: Für einen seiner ersten Jobs sollte er über eine Schießerei „unter Schwarzen" berichten. „Warum gerade ich?", fragte Macey, der seine Hautfarbe als Grund vermutete. „Ihre Kontakte zur Szene könnten nützlich sein", entgegnete der Ressortchef - als wären alle Schwarzen Londons miteinander verwandt.

"Erbärmlich weiße" Belegschaft

Dabei sind britische Medien tendenziell offener, was MigrantInnen betrifft. Im öffentlich-rechtlichen BBC habe man schon vor einiger Zeit erkannt, dass die Belegschaft „erbärmlich weiß" sei, erzählt Jonathan Chapman, BBC-Verantwortlicher für Personal-Recruiting. Die Folge: Gezielte Lehrredaktionen für Zugewanderte wurden eingerichtet, zusätzlich gibt es Quoten für Minderheiten: Mittelfristig soll ihr Anteil auf zwölf Prozent angehoben werden, im Management auf sieben Prozent.

Paul Macey träumt indes von einer Zeit, da Quoten nicht mehr nötig sind: „Die Geister sollen sich am Talent scheiden, nicht an der Herkunft."

Wenig Zukunft sieht Amar Rajković für Minderheiten im ORF: „Jetzt haben wir fünf Mal zwanzig Minuten tschuschen:POWER. Und was ist danach - war's das schon?" (Maria Sterkl, derStandard.at, 31.3.2009)