Konzerthauschef Bernhard Kerres.

Foto: Beck

Wien - Womöglich kennt er ihn auswendig - den Abo-Katalog 2009/10, den er gestern präsentiert hat. Konzerthauschef Bernhard Kerres verhehlt jedoch nicht, welch angenehmes Gefühl es vermittelt, den Schmöker auch in der Hand zu halten, in dem "die Ergebnisse dieser heftigen Planungsarbeit enthalten sind". Und aus dem etwa hervorgeht, dass "wir im kommenden Jahr alle Schostakowitsch-Symphonien aufführen werden, obwohl es keinen Bedenktag gibt, der es diktieren würde." 

"Diktate" gibt es natürlich für seine Arbeit, der er seit 2007 als Nachfolger von Christoph Lieben-Seutter nachgeht - sie kommen etwa von den finanziellen Rahmenbedingungen. So schränken jene 13,8 Millionen Euro, um die das Budget der Generalsanierung des Hauses noch zu Vorgängerzeiten überschritten wurde, die Gestaltungsfreiheit ein.

Wechselwirkung zwischen Ökonomie und Programm

"Es gibt an sich einen Finanzplan, bei dem die öffentliche Hand zwei Drittel der Summe übernehmen würde. Es kamen jedoch Neuwahlen dazwischen, und jetzt hängt das Ganze. Wir haben ja Kredite aufgenommen, auf dem Haus ist eine Hypothek, und wir haben alle Spareinlagen aufgelöst, haben also keine Reserven." Kerres zitiert den Wirtschaftsprüfer: "Er formuliert immer, dass die Fortführung des Betriebes gesichert sei, die Rückzahlung unserer Kredite aus eigenen Mitteln aber nicht möglich wäre. Dabei haben wir eine gute Kreditvereinbarung, zahlen momentan nur die Zinsen. Aber auch um die Zinsen könnte ich ein Festival machen."

Weil er schon bei der Wechselwirkung zwischen Ökonomie und Programm ist, kommt Kerres auch auf die gegenwärtige Krise zu sprechen: "Ich glaube, es wird frühestens 2010 wieder besser. Wir merken schon gewisse Auswirkungen, die Auslastung ist seit Jänner um drei Prozent zurückgegangen. Das ist aber nicht dramatisch, wir liegen immer weit über 90 Prozent, und die Abos sind um drei Prozent gestiegen. Uns beunruhigt eher, dass die Leute viel später Karten kaufen: Das macht unsere Vorausplanung schwieriger."

Da ist ja noch das Antikorruptionsgesetz

Die Sponsorenseite hingegen sei sehr stabil. Allerdings sei da noch das Antikorruptionsgesetz; es verunsichert Sponsoren, die Gäste einladen: „Das Gesetz ist in dieser Form für den Kulturbereich untragbar. Es ist schlecht formuliert, so dass jegliches Sponsoring - im Gedanken jedenfalls - kriminalisiert wird. Man muss den Amtsträgerbegriff kippen, der Begriff ist zu weit gefasst, den gibt es im Ausland gar nicht. Wenn ich als Firma einen Wirtschaftspartner einladen will, er aber nicht nur Firmenvorstand ist, sondern auch Aufsichtsrat in einem anderen Unternehmen, bei dem der Staat einen Anteil hält, ist er schon Amtsträger, und man kann ihn nicht einladen. Bei einer Veranstaltung mit 100 Gästen, bei der alles transparent ist - wo soll da die Bestechung sein?" 

Das Thema jedenfalls absorbiert viel Zeit, sagt Kerres. Zweifellos würde er sich lieber noch mehr der Programmierung widmen, auch die vielen CDs durchhören, die auf seinem Tisch landen - man will ja vielleicht etwas entdecken? "Sicher, wir haben auch 40 Debüts in der kommenden Saison. Die Pianistin Simone Dinnerstein hat mich etwa sehr beeindruckt. Ich habe bei ihren Goldbergvariationen wirklich aufgehorcht. Man bekommt ja viel Material, hört es ein bisschen durch, aber es kommt selten vor, dass man plötzlich mit der Arbeit aufhört und gepackt wird. Bei Dinnerstein war das der Fall."

Weniger beeindruckt ist Kerres von den ORF-Ausgliederungsplänen bezüglich des Radio-Symphonie-Orchesters Wien. "Ein öffentlich-rechtliches Unternehmen darf sein Orchester nicht infrage stellen. Eine Ausgliederung bringt dem ORF zudem kein Geld, sie kostet. Man schafft eine neue juristische Person, hat mehr Verwaltung, und es ist blauäugig, auf Subventionen zu hoffen! Ich bewundere die Motivation der Musiker, an manchen Abenden sind sie besser als die Symphoniker." Kerres weiß es, er hat beide Orchester regelmäßig im Haus. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, Print, 31.3.2009)