Die Integration von Ausländern in Österreich geht beide Seiten an, Fremde wie Einheimische: Das ist fast schon eine Binsenweisheit - und wurde auch von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) in den Mund genommen, als sie vor wenigen Tagen ihr Einführungspapier zur Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für Integration präsentierte.

Was Fekter nicht erwähnte: Diese Beidseitigkeit wirkt sich auch an Orten aus, an denen es mit der Integration nicht so gut klappt. Dort kommt es zu Problemen für beide Gruppen. Zum Beispiel im Wiener Gemeindebau und sonst im Wohnbereich, wo die vielfach vernommene Klage von Inländern über zu laute, rücksichtslose und überhaupt unverständliche Ausländer jüngst durch Klagen von Migranten über ausspähende, schimpfende und gegnerisch gesonnene Hiesige ergänzt worden ist: Immer mehr Nachbarschaftskonflikte hätten Fremdenfeindlichkeit als Ursache oder würden auf dieser Grundlage ausgetragen, berichtete die Antirassismusgruppe Zara in ihrem Jahresreport 2008 (siehe "Rassismusreport zeigt verhärtete Fronten").

Nun liegt wohl auf der Hand, dass derlei rassistisch gefärbte Konflikte schwer integrationshemmend wirken. Wer vom Nachbarn auf dem Hausgang regelmäßig mit den Worten "Ausländer raus!" begrüßt wird - so ein von Zara dokumentierter Fall -, dürfte eher zornig und frustriert denn neugierig und aufnahmebereit reagieren. Das könnte durchaus auch Auswirkungen auf seine Integrationsbereitschaft haben. Doch leider hat sich diese Erkenntnis bisher nicht in jene ministeriellen Beamtenstuben vorgearbeitet, wo man in den kommenden Monaten mit dem Integrationsplan beschäftigt sein wird.
Tatsächlich kommen im Papier des Innenministeriums Maßnahmen gegen Vorurteile und Diskriminierung überhaupt nicht vor, was Zara und andere Menschenrechtsgruppen jetzt zu Recht kritisch angemerkt haben. Zumal Fekters Auslassung ausschließlich für Vorurteile und Diskriminierungen gilt, die gegen Migranten gerichtet sind: Der umgekehrte Fall - Integrationshemmnisse vonseiten der Zugewanderten - findet im Aktionsplan-Einführungskapitel über "Rechtsstaat und Werte" durchaus Erwähnung.

Um hier nicht missverstanden zu werden: Dass Menschen, die bei uns leben wollen, unsere "Grundwerte anerkennen und ihr Leben danach ausrichten" müssen - wie in Fekters Papier steht -, ist ebenso wichtig und richtig wie der Umstand, dass "religiös und kulturell begründete Rechts- und Ordnungssysteme außerhalb der österreichischen Rechtsordnung in Österreich keinen Platz haben dürfen". Doch es wirft in seiner Einseitigkeit auch ein trauriges Licht auf die integrationspolitische Verve des Innenministeriums - weil damit viel Positives, was in diesem Bereich an der Basis läuft, aus dem Fokus gerät: Die "große Politik" sieht die Folgen der Einwanderung nur vom Standpunkt des Defizites aus, das auf allen Ebenen unter Kontrolle gebracht werden muss.

Nicht mitbedacht wird im Ministerium etwa der Umstand, dass sich immer mehr Gemeinden und Bundesländer ein eigenes integrationspolitisches Programm geben - unter Einbeziehung der Einwanderer auf allen Ebenen: Hier könnte sich auch der Bund ein Beispiel nehmen. Oder Erfolge gegen ausländerfeindliche, rassistische Ausfälle. Etwa im Internet, wo ein deutschnationaler, hetzerischer Poster im vergangenen Jahr zu einer Haftstrafe von neun Monaten - davon zwei Monate unbedingt - verurteilt worden ist; noch vor Gericht hatte er seine Anwürfe verteidigt.
Dass diese Nachricht nur von Zara verbreitet wurde, ist schade: Auch Minister sollten sich klar gegen den alltäglichen Rassismus positionieren. Dann werden mehr "Fremde" das Gefühl haben, wirklich willkommen zu sein. (Irene Brickner/DER STANDARD - Printausgabe, 30.3.2009)