Bei den diesjährigen Lohnverhandlungen ist nur eines sicher: Es gibt nichts zu gewinnen. Aber viel zu verlieren, denn die Wirtschaftslage wird von Tag zu Tag schlechter, die Exporte brechen ein, die Inlandsnachfrage stockt, und die Konzerne halten Investitionen zurück, weil sie nicht wissen, ob ihnen jemand ihre Produkte abnimmt und wie sie Investitionen finanzieren sollen. 

Angesichts dieser widrigen Umstände muss eine Verschiebung der anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen von Papier-, Chemie-, Elektro- und Elektronikindustrie, wie von Österreichs Industriebossen gewünscht, verlockend sein. Es könnte ja sein, dass es im Herbst etwas besser läuft, weil Konjunkturpakete und Steuerreform wirken.

Es ist allerdings auch möglich, dass bis Herbst alles noch viel schlechter wird und es zur Nulllohnrunde keine Alternative mehr gibt. Dann wäre über Lohnverzicht zu reden. Eine Verschiebung birgt also auch Gefahren in sich.

Für die Gewerkschafter wäre sie sowieso ein Armutszeugnis. Sie können nicht kneifen, wenn einmal in dreißig Jahren Verhandlungen anstehen, die das strapazierte Attribut "hart" verdienen, zumal ja Arbeiterkammerwahlen laufen.

Selbst wenn nach der Frühjahrslohnrunde eine Null vor dem Komma steht:Sie ist schon allein von der Psychologie her unverzichtbar, damit die Menschen nicht in Panik verfallen oder in Konsumstreik treten. Fernmündliches Mitverhandeln mag bequem sein, für ergebnisorientiertes Feilschen sind telefonische Ratschläge aber definitiv zu wenig. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2009)