Diese Regierung wird zusammengehalten von dem Bewusstsein, dass sie nicht scheitern darf. Wenn diese Koalition aus SPÖ und ÖVP nicht halbwegs über die Runden kommt, bleiben nur noch abenteuerliche Koalitionen mit der extremen Rechten. Österreich wird dann einen Vizekanzler haben, der mit Neonazis in den Büschen herumgekrochen ist und "Wehrsport" betrieben hat. Die beiden Parteien erliegen aber leider auch der Versuchung, ein Machtkartell alten Stils zu bilden. Aus Angst.

Faymann und auch Pröll sind etwas, was man im amerikanischen Psycho-Jargon "control freaks" nennt. Das kommt aus ihrer politischen Sozialisation. Wer einerseits in der Wiener SPÖ, andererseits im niederösterreichischen Bauernbund groß geworden ist, der will die Hand auf allem draufhaben. Oft ist das auch zum Regieren notwendig. Genauso oft erstickt es aber Kreativität und verengt den Zugang (auch von Nachwuchstalenten).

Die Regierung hat sich darauf geeinigt, ein neues ORF-Gesetz durchzubringen und die ORF-Geschäftsführung auszutauschen. Das kann man begründen: Der ORF ist ein Staats- und Gewerkschaftsbetrieb mit gefährlicher Kostenstruktur. Es besteht Handlungsbedarf. Was aber an Intentionen der Regierung zu erkennen ist, läuft nur auf Verstärkung der Kontrolle hinaus, die das letzte große Aktivum des ORF, seinen funktionierenden Journalismus, abzuwürgen droht.

Aber Politruk-Journalismus hat noch keine Herrschaft auf Dauer gesichert, letztlich nicht einmal im Ostblock.

Apropos Ostblock: Faymann will offensichtlich nicht, dass der "Fall Zilk" offen debattiert wird. Es ist ja auch zu peinlich, vor allem für die Wiener SPÖ, die in Kürze entscheidende Wahlen zu schlagen hat. Zilk hat sich als einflussreicher ORF-Fernsehdirektor und Sozialdemokrat mit dem Geheimdienst der kommunistischen Tschechoslowakei eingelassen und dafür nicht wenig Geld genommen. Da können sich seine journalistischen oder eher journalistoiden Pflichtverteidiger noch so sehr an die Wortklauberei klammern, er sei kein "Agent", sondern "Informator" gewesen - er war der bezahlte Informant eines kommunistischen Regimes. Und es war die Zeit einer ernsthaften Auseinandersetzung zwischen Freiheit und Unfreiheit.

Zilk hat sicher nichts Weltbewegendes verraten. Als politischen Menschen musste man ihn teils bewundern, teils den Kopf schütteln. Aber er war eben Informant eines kommunistischen Geheimdienstes, das war eben nicht nur der Stapo bekannt, und das wirft Fragen über das österreichische politische System auf, die die SPÖ heute nicht diskutieren will. Die ÖVP auch nicht, denn sie war damals an der Alleinregierung.

So üben sich alle in der österreichischen Kunst der Verdrängung - wie bei Kurt Waldheims verschwiegener Kriegsvergangenheit, wie bei Jörg Haiders Unfalltod mit 1,8 Promille und 170 km/h. Darin liegt die größere Bedeutung des Falls Zilk.

Diese Regierung klammert und mauert zu viel. Sie hätte das nicht notwendig - und sie wird den Wolf, der Strache heißt, so nicht draußen halten. (Hans Rauscher/DER STANDARD-Printausgabe, 28./29. März 2009)