Wolfgang Zinggl versucht sich als FPÖ Sprachpolizeischüler

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Die FPÖ fordert ein Gesetz zum Schutz und zum Erhalt der deutschen Sprache. Ein Beirat soll die Verstöße aufzeichnen und abstrafen. Höchste Zeit wahrscheinlich, angesichts des Niedergangs unserer amerikanisierten Kultur, die uns doch nur in Wirtschaftskrisen führt. Allerdings: Das wär's dann auch mit dem Strache-Rap. Seine kommenden Wahlkämpfe wird der Parteichef von der Disco in den Tanzschuppen verlegen müssen. Statt Dekolletés zu signieren, wird er in Ausschnitte zeichnen und anstelle der coolen John-Ottis-Band muss ihn die lauwarme Hans-Otti Gruppe begleiten. Der Ring Freiheitlicher Jugend wird die heißen Partys in Sonnwendfeiern umwandeln, und das Büro des Dritten Nationalratspräsidenten kann bei einschlägigen Versandhäusern keine Compact Discs mehr bestellen, sondern nur mehr dichte Scheiben, so welche auf Lager.

Aus meinem deutschen Tagebuch:

Wie immer weckt mich der Volksempfänger. Heute mit dem immergrünen Volksgesang "Der gute alte Stechpalmenwald stirbt gerade" von Wasserloch & Sohn des Rotkehlchens. Nach dem Brausebad rein in die Hose aus körpergebundenem Baumwollstoff und in die Joppe.

Zum Frühstück beidseitig angeröstete Weißbrotschnitte mit eingedicktem, süßem Brotaufstrich und ein Glas Saft aus vielen lebenswichtigen Wirkstoffen für den Stoffwechsel. Dazu lese ich in der Richtschnur die Anmerkung der Anderen zum Schulstreit von einer Weisheitsliebhaberin und einem Kinderführer. Noch schnell einen Blick in die Seitenansicht dann ab in den Arbeitsraum.

Vor dem im Zeitalter der unregelmäßig geformten Perlen erbauten Schloss Zur schönen Aussicht treff ich zufällig den Pflegebewerter der Neuigkeiten. Er schwärmt von der Baukunst der Linzer Bernstein-Kunst-Mitte. Mein kleines Handliches läutet, ich muss weiter. Am Gerät ist die Gesprächsleiterin des erhöhten Meinungsaustausches heute Abend im Jahrtausend-Turm. Sie will wissen, ob ich noch ihr Handgeschriebenes in Gestalt eines tragbaren Schriftstückes bekommen hätte. Leider nicht, sie kann es mir aber noch schicken, weil ich mir einen In-der-Hand-Gehaltenen zugelegt habe. Nachdem im Scheiding letzten Jahres das Fernsprechunternehmen Eins vom neuen Eigentümer Orange gekauft wurde, konnte es die Herumtreibergebühren günstiger gestalten. Und da dachte ich, in Ordnung, jetzt kann ich überall in drahtlosen Ortsgebiet-Netzwerken meine strahlende Sonnenpost abrufen und im weltweiten Zwischennetz wellenreiten. Keine Ahnung warum sich der Betrieb damals nicht um die Burg Apfelsinenfarbe nennen wollte. Das hat ihm natürlich eine saftige Verwaltungsstrafe wegen Missachtung der deutschen Sprache eingebrockt und einen dicken Eintrag in den Jahresbericht des Sprachbeirats.

Am Nachmittag eine volksvertretende Erhebung. Es geht um das Vervielfältigungsrecht im fingerartigen Zeitalter und um das nicht erlaubte Herunterladen von geordneten Schall- und Bildereignissen. Die Veranstaltung ist auf hoher waagrechter Ebene.

Abends dann dieser Meinungsaustausch und danach an einem Schanktisch ein Glas vom Heiligen Lorenz. Zu Hause am hochauflösenden Flachbildschirm sehe ich eine Sammlung zum Frühling aus der Folge ähnlicher Geschehnisse "Das Ganze": Althergebrachte Frühlingsfeste wie Osterreiten und Maibaumtanz, alles in frischer Luft. Statt fern zu sehen, sollte ich mehr Leibesertüchtigung machen: den Körper bilden, nordisch gehen. Ich schalte von Leitung zu Leitung: "Jugendliche Schildkröten mit verändertem Erbgut und japanischer Kampfausbildung", "Geschlechtsverkehr und die Stadt", "Verloren in der Übersetzung" - so ein Bullshit. (Wolfgang Zinggl/DER STANDARD-Printausgabe, 28./29. März 2009)