Das wird ein heißer Wahlkampf. Mit der Nominierung von Ernst Strasser zum ÖVP-Spitzenkandidaten für die Europawahlen hat Josef Pröll seine Partei auf Populismus getrimmt. Sein Kandidat war nicht nur für den nunmehrigen Listenzweiten Othmar Karas eine Überraschung, sondern das ist ein Signal an EU-kritische Wähler. Die ersten markigen Ankündigungen von Strasser wie "Ich bin dafür, dass in Brüssel das geschieht, was die Österreicher wollen" lassen auf eine direkte Konfrontation mit der FPÖ schließen, deren Spitzenkandidat Andreas Mölzer immer wieder vor einer "EU-Diktatur" warnt. Steigt für das BZÖ noch Ewald Stadler in den Ring, dann wird der Ton noch rauer. Hans-Peter Martin ziert sich noch. Tritt der selbsternannte EU-Rebell an, stellt sich für die Kronen Zeitung die Frage, wen sie unterstützen soll.

Inzwischen haben sich alle Parteien der Krone-Linie angenähert. Pröll hat damit endgültig eine Kursänderung vorgenommen: Die Formulierung im Koalitionsvertrag, wonach eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag nicht ausgeschlossen wird, aber die Parteien einander nicht überstimmen dürfen, war bereits eine Neupositionierung der ÖVP, auf die Ursula Plassnik mit Rückzug reagierte. Die Kronen Zeitung, die jahrelang ihre EU-freundliche Haltung gebrandmarkt hatte, jubelte. Ihr Nachfolger als Außenminister Michael Spindelegger versuchte sich geschickter zu verhalten und kündigte eine Tour durch Österreich an, um über die EU zu sprechen - was ihm das Wohlwollen des Boulevards einbrachte. Mit der Nominierung Strassers hat Pröll diesen Kurs zementiert.

Werner Faymann hat die SPÖ nach dem berühmten Brief an Krone-Herausgeber Hans Dichand auf EU-Kritik eingeschworen. Weil Faymann Absagen etwa von Pensionistenchef Karl Blecha für die Spitzenkandidatur kassierte, kam dann doch Hannes Swoboda zum Zug. Swoboda hat noch rechtzeitig die Kurve gekratzt: Früher entschiedener Gegner einer Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag, ist Swoboda flugs auf die neue Faymann'sche Boulevard-Linie eingeschwenkt. Mit dem Argument, die Zeiten hätten sich geändert. Dafür wurde der langjährige EU-Mandatar Herbert Bösch abgestraft, der vom SPÖ-Vorstand nur auf den nicht gerade aussichtsreichsten Platz sieben der Liste gereiht wurde. Bösch, der sich als Antikorruptionskämpfer in Brüssel einen Namen gemacht hat, hatte sich im Sommer empört über die neue EU-Linie der SPÖ geäußert. Auf Listenplatz zwei hat Faymann mit Evelyn Regner eine Frau gesetzt, die bei ihrer Vorstellung gleich klarstellte, dass "unser Zugang" zur EU "traditionell sehr kritisch" sei.

Auch die Grünen haben eine Änderung ihrer bisherigen Europapolitik vorgenommen. Nachdem sich Johannes Voggenhuber vom Saulus zum Paulus in Sachen EU entwickelt hatte und damit immer weiter weg von der Attac-Klientel ist, ist der bisherige grüne Fronteuropäer abgesägt worden. Damit haben die Grünen aber ihr weit über Österreichs Grenzen hinaus geschätztes Kompetenzzentrum verloren. Die neue Parteichefin Eva Glawischnig fühlte sich offenbar nicht stark genug, mit einem kritischen und häufig unbequemen Geist wie Voggenhuber umzugehen. Das Votum für die Grünen, die bisher die klarste Pro-EU-Linie aller österreichischen Parteien vertreten haben, wird zeigen, ob sie mit ihrem Kandidaten- und Kurswechsel nicht eher Wähler verprellt haben.

Dieser Schwenk der Parteien erfolgt just in einer Zeit, in der die Österreicherinnen und Österreicher ihre skeptische Haltung gegenüber der Union aufgeben. In Zeiten der Krise werden der EU mehr Lösungskompetenzen zugebilligt, die Parteien in Österreich setzen dagegen auf Populismus.  (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.3.2009)