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Was wirklich harte Lohnverhandlungen sind, erfahren die Blaumänner der Elektroindustrie heuer. Die Arbeitgeber wollen eher niedrigere denn höhere Löhne zahlen.

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Bei den Lohnverhandlungen der Elektro- und Elektronikindustrie gilt die Formel Inflationsabgeltung plus Produktivitätsfortschritt erstmals nicht. Die Rede ist von Nulllohnrunde und Verschiebung auf bessere Zeiten.

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Wien - Was wirklich harte Lohnverhandlungen sind, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ab Mittwoch ist erstmals seit Ausbruch der Wirtschaftskrise eine der großen Tarifrunden am Zug, die Sozialpartner verhandeln über einen neuen Kollektivvertrag (KV) für die rund 60.000 Beschäftigten in der Elektro- und Elektronikindustrie.

Die Ausgangslage für das rund um Ex-Siemens-Chef Albert Hochleitner, Infineon-Österreich-Chefin Monika Kircher-Kohl, Harald Sommerer (AT&S) und Markus Posch (Philips) versammelte Arbeitgeber-Chefverhandler-Team ist düster wie die Aussichten der Branche, deren Spektrum von Halbleitern und Bauelementen über Elektromotoren bis hin zu riesigen Transformatoren reicht. Absatzmärkte brechen weg, Investitionen werden gestrichen, Kündigungen und Kurzarbeit sind an der Tagesordnung.

Zur KV-Runde, die traditionell mit dem Wirtschaftsgespräch über die Konjunkturdaten beginnt, wollte sich auch im Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie keiner der Wortführer zu Wort melden. Hinter vorgehaltener Hand reden Industrielle freilich ganz offen von einer Nulllohnrunde, an der kein Weg vorbeiführe. "Wo nichts ist, gibt's auch nix zu verteilen", bringt es AT&S-Großaktionär Hannes Androsch auf den Punkt. Das Wort Nulllohnrunde nimmt des Kanzlers Wirtschaftsberater freilich nicht in den Mund. „Am besten wäre wohl eine Verschiebung." Eine Sistierung wäre insofern kein Beinbruch, weil die Steuerreform zu wirken beginne, Öl und Treibstoff billiger seien und es praktisch keine Inflation gebe. Das entlaste auch die Arbeitnehmer und mindere den Kaufkraftverlust einer möglichen Nulllohnrunde, rechnet Androsch vor. Das Wifo schätzt die Teuerung heuer auf 0,6 Prozent, das IHS geht von 0,9 Prozent aus.

Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer, er ist zugleich Betriebsratsvorsitzender in Androschs Salinen AG, lässt das nicht gelten: "Über null reden wir sicher nicht", stellt Wimmer auf Anfrage des STANDARD klar. Die Kaufkraft müsse erhalten bleiben. Auch ein Gegenrechnen mit der Steuerreform lehnt Wimmer als unzulässig ab. Ähnliche Töne auch in der Gewerkschaft der Privatangestellten. Es gebe nicht in allen Sparten so massive Einbrüche wie bei Bauelementen und Halbleitern. Der Elektroanlagenbau (Trafos) zum Beispiel sei gut ausgelastet.

Als "krampflösendes Mittel" für die KV-Verhandlungen wird die nur in Spurenelementen vorhandene Inflation bezeichnet, sie nehme Druck von den Arbeitnehmern.

Während sich Wifo-Chef Karl Aiginger grundsätzlich nicht in Lohnverhandlungen einmischt, sondern lediglich darauf hinwies, dass der private Konsum der letzte stabilisierende Faktor in der Krise sei, hat IHS-Chef Bernhard Felderer in der Prognose „eine Einschätzung, keine Empfehlung" eingebaut. Aufgrund der Wirtschaftslage dürften maximal KV-Abschlüsse in Höhe der Inflationsrate erreicht werden. Die hohen Abschlüsse des Vorjahres wirkten ohnehin erst heuer, was die Effektivsteigerungen um 2,4 Prozent in die Höhe treibt. 

Laut Wifo steigen die realen Arbeitseinkommen 2009 aufgrund der Lohnabschlüsse im Vorjahr um 3,6 Prozent, die Haushaltseinkommen hingegen nur um 1,2 Prozent. (Luise Ungerboeck, Leo Szemeliker, DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.3.2009)