Bild nicht mehr verfügbar.

300.000 Euro Belohnung waren auf Ergreifung des "Phantoms" ausgesetzt. Auf die Spur des Stäbchen von Heilbronn führten sie nicht.

Foto: AP/Winfried Rothermel

Jahrelang jagte die deutsche Polizei eine Frau, die mehrmals gemordet haben soll. Dann entdeckten Linzer Kollegen: Es gibt kein "Phantom".

***

Heilbronn/Linz - "Eine Frau mit unglaublicher krimineller Energie" , "die Superverbrecherin" , "eine Mörderin ohne Gesicht" . Unzählige Bezeichnungen fanden deutsche Medien für jenes Phantom, das die deutsche und auch die österreichische Polizei seit Jahren in Atem hält. Niemand wusste, wie die "UWP" (unbekannte weibliche Person) aussieht, nur so viel schien aufgrund der immer gleichen DNA-Spuren an den Tatorten klar zu sein: Die Gesuchte muss aus Osteuropa stammen.

Ihre vermeintliche Spur zog sie durch halb Europa. Sie ermordete angeblich in Baden-Württemberg eine junge Polizistin, sie brach in oberösterreichische Gartenlauben ein, sie stahl im Saarland Autos, auch in Frankreich fand man ihre DNA. Ungewöhnlich hoch war nicht nur die Anzahl der Delikte: insgesamt 40 in 16 Jahren. Die Polizei rätselte auch über deren Verschiedenheit:Sechs brutalen Morden standen auch vergleichsweise harmlose Vergehen wie der Diebstahl einer Gitarre gegenüber. Erstaunlich breitgefächert fanden die Ermittler auch den Täterkreis: Die "Frau" arbeitete mit Albanern, Türken, Serben, Franzosen und Deutsch-Irakern zusammen.

Doch nun stellte sich heraus: Es gibt überhaupt kein "Phantom" . Die an den vielen Tatorten sichergestellte DNAbrachten die Ermittler stets selbst an den Schauplatz des Verbrechens mit - immer dann, wenn sie zur Spurensicherung anrückten. Denn ihre Wattestäbchen waren bereits kontaminiert - mit der DNA einer Osteuropäerin, die in einer Hamburger Firma für die Verpackung der Polizei-Wattestäbchen zuständig war.

Mord in Linz als Schlüssel

Die Wende bei der "Phantom" -Jagd ging von Linz aus. Dort wurde im September ein Bosnier von fünf Männern getötet. "Zu unserer Überraschung fanden wir die DNA des ‚Phantoms‘ an einer seiner Fingerkuppen" , sagt Rudolf Keplinger, Leiter des Landeskriminal-amtes (LKA) Oberösterreich, zum Standard. Doch die fünf Täter waren geständig, von einer weiblichen Mittäterin war keine Rede. Daraufhin rollte das LKA noch einmal alle 16 Fälle, die sich zwischen 2004 und 2008 in Oberösterreich und Tirol (und wirklich nur in diesen beiden Bundesländern) ereignet hatten, auf. Da entdeckte man die verunreinigten Wattestäbchen.

Man schloss sich mit der Sonderkommission in Heilbronn kurz, der nach einem Mord im Saarland ähnliche Zweifel gekommen waren. Am Donnerstag bestätigte dann der Justizminister von Baden-Württemberg, Ulrich Goll (FDP), die Auflösung des Rätsels. Im Nachhinein ist auch klar, warum das vermeintliche "Phantom" niemals in Bayern sein Unwesen trieb: Die Polizei dort verwendet zur Spurensicherung Wattestäbchen einer anderen Firma als ihre Kollegen in Baden-Württemberg, dem Saarland, in Tirol und in Oberösterreich.

Wie die Verunreinigung auf die Stäbchen kam, wird noch geprüft. Möglicherweise sind Hautschuppen auf die Stäbchen gelangt, oder das Gerät zur Sterilisierung fiel aus. LKA-Chef Keplinger jedenfalls sagt: "Einen solchen Fall hat es noch nie gegeben." (Birgit Baumann, DER STANDARD - Printausgabe, 27. März 2009)