Der Sturz der tschechischen Regierung löste in Brüssel große Unsicherheit aus. Die EU-Kommission meinte in einer dürren, neunzeiligen Aussendung, es sei Sache der tschechischen Regierung, die innenpolitischen Angelegenheiten zu regeln. Man vertraue darauf, dass dies in einer Weise geschehe, die die volle Funktionstüchtigkeit der Präsidentschaft sicherstelle.

Noch in der abgelaufenen Woche am EU-Gipfel hatte der tschechische Premier Mirek Topolánek seinen Amtskollegen versichert, der Misstrauensantrag werde wie die fünf Anträge davor mit großer Sicherheit keine Mehrheit finden. "Dies hat nun nicht gerade zur Vertrauensbildung beigetragen," meinte ein Diplomat in Brüssel. Nun hänge alles davon ab, wie sehr die tschechische Führung hauptsächlich mit sich selbst und den folgenden Neuwahlen beschäftigt sei. "Gut möglich, dass sich jetzt die Prioritäten von der EU-Präsidentschaft weg verschieben."

Im EU-Parlament in Straßburg erklärte Topolánek am Mittwoch, dass die "Demission der tschechischen Regierung den EU-Ratsvorsitz nicht bedrohen wird". Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering erklärt, die Situation in Tschechien werde die Präsidentschaft "nicht beeinflussen" . Topolánek meinte zur Lage in Prag, es habe eine Obstruktion der Sozialdemokraten gegeben. Doch damit hätten sich die Sozialdemokraten selbst beschädigt. Trotzdem sei er überzeugt, dass Tschechien seine Präsidentschaft positiv weiterführen werde.

Topolánek meinte in Straßburg weiter, es seien wichtige Pakete im Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise geschnürt worden und man habe sich darauf geeinigt, dass der Wachstums- und Stabilitätspakt gelte. Ein "großer Fehler" wäre es, jetzt neue Hilfspakete zu schnüren. Den Weg der USA, immer größere Kapitalspritzen zu verabreichen, soll der Premier als "Weg in die Hölle" bezeichnet haben.
Tschechiens Europaminister Vondra hatte wenig später die kritische Äußerung von Topolánek über die US-Maßnahmen als "Übersetzungsfehler" bezeichnet.

Suche nach Mehrheiten

In Prag selbst machte man sich indes auf die Suche nach neuen Mehrheiten. Das Land ist nach dem Misstrauensvotum in der gleichen politischen Pattsituation, in der sich Tschechien bereits nach den letzten Wahlen vom Juni 2006 befand. Es gibt zwei große Blöcke und ein halbes Dutzend wilde Abgeordnete. Beide großen Parteien, Topoláneks Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten Jirí Paroubeks wollen Neuwahlen - die Bürgerlichen sobald als möglich, die Sozialdemokraten erst im Herbst. (Michael Moravec aus BrüsselRobert Schuster aus Prag/DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2009)