Als ,Larifari‘ wischen die Pensionistenvertreter langfristige Prognosen vom Tisch, die vor einer wachsenden Finanzierungslücke der Pensionen warnen und ignorieren damit unbestreitbare Fakten" - so Gerald John am 20.3. im Standard-Leitartikel. Die Frage stellt sich in der Tat: Fakten oder Larifari? Evident ist jedenfalls, dass es heute fst schon zum journalistishen Alltag zu gehören scheint, auf der Grundlage von Expertengutachten immer wieder neue Pensionskatastrophen zu prpphezeien. Wie aber kommt es zu diesen Expertisen, und warum fällt kaum jemandem auf, wie beliebig dabei mit statistischen Kennzahlen umgegangen wird: Mal beruft man sich z.B. auf die europäischen Daten von Eurostat, dann wieder auf die österreichischen von Statistik Austria. Und obwohl beide Statistiken seriös sind, klaffen ihre Ergebnisse so weit auseinander, dass im einen Fall Beruhigung, im anderen Fall Untergang „angesagt" ist.

Noch zweifelhafter sind Schätzungen der Entwicklung von Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenzahl, Beschäftigungsentwicklung, Teuerung, Zuwanderung über die nächsten 40(!) Jahre hinweg. Aber bleiben wir zunächst bei den Prophezeiungen zur Altersvorsorge. Beispiele gefällig?

Als das ASVG-Pensionssystem 1956 begründet wurde, ging man davon aus, dass der Staat ein Drittel (33 %) der Aufwendungen des gesamten Pensionssystems tragen wird. Im Laufe der 70er Jahre wurde dieser Anteil auch tatsächlich erreicht. Seither ist er jedoch kontinuierlich auf derzeit 25 Prozent abgesunken.

Lehrreiche Diskrepanzen

Noch deutlicher wird die Diskrepanz, wenn man die Mittel für die Ausgleichszulagen sowie weitere im öffentlichen Interesse liegende Zahlungen des Bundes abzieht (Maßnahmen für Rehabilitation, Verwaltungskosten etc.). Dann ergibt sich bloß ein Zuschuss von unter 20 %, Tendenz - in der Rückschau auf die letzten fünf Jahre - fallend
Oder:: Im Jahr 1993 ging ein Aufschrei durch Österreich, als die Experten feststellten, der Anteil des Staates an den Pensionsaufwendungen werde bis zum Jahre 2010 wieder auf 33 Prozent ansteigen. „Unbestreitbar" aber liegt der tatsächliche Wert heute sensationelle 8 Prozent unter dem damals prognostizierten! Und die Pensionen nach dem ASVG (immerhin 1,8 Mio. der 2,3 Mio. Pensionen) überhaupt: Hier bezahlen die Versicherten die Pensionen fast ohne jeden Staatszuschuss: Die Beiträge deckten im vergangenen Jahr die Pensionen zu über 90%, die ASVG-Pensionisten bezahlten dazu noch über 2 Mrd. Euro an Steuern - ergibt in Summe fast 100% Eigendeckung!

Oder: Im Oktober 2008 prophezeite das Wifo für das Jahr 2013 eine Inflation in der Höhe von 2,2 Prozent. Nur drei Monate später im Dezember 2008 lag die Schätzung des Wifo für die Inflation des Jahres 2013 bei nur mehr 1,8 Prozent. Aus dieser lächerlich erscheinenden Differenz von 0,4 Prozent würde sich ein Minderaufwand für Pensionen von 992 Millionen Euro ergeben. Dabei können wir davon ausgehen, dass das Wifo schon im nächsten, in wenigen Tagen erscheinenden, Bericht diese Annahme nochmals nach unten korrigieren wird. Was spielten dann die (ebenfalls dubios) vorausgesagten Mehrkosten von 300 Mio. für eine Rolle? Gar keine....

Erst vor wenigen Tagen berichtete die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung, sie gehe für 2010 von 183.259 Arbeitslosen in Österreich aus. Hier kann man im Gegensatz zum Beispiel der Inflation eher von einem höheren Wert und dadurch weniger Beitragszahlungen in das Pensionssystem ausgehen.

Das aktuelle Gutachten der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung spricht weiters von einer Erhöhung der Bundesmittel (das sind alle finanziellen Mittel, die der Bund zu den Einnahmen der Pensionsversicherung beisteuert, auch inklusive Ausgleichzulagen etc.) von derzeit 2,2 Prozent des BIP auf 4,8 Prozent des BIP im Jahr 2060. Die Zeitungen überstürzen sich. Schlagzeile: „Die Pensionskosten explodieren!"

Abgesehen davon, dass - wie schon oben erwähnt - die Möglichkeit, dies seriös zu berechnen, generell zu hinterfragen wäre, ist die ausgewiesene Zahl schlicht falsch, weil dabei die Beamtenpensionen nicht eingerechnet wurden und dank der Pensionsreformen von Wolfgang Schüssel die Höhe der Bundesmittel zu den Beamtenpensionen von derzeit 3,4 Prozent des BIP auf 1,3 Prozent des BIP sinken wird!
Das heißt im Klartext: In Summe wird sich bei den Bundesmitteln für die Pensionen in den nächsten 50 Jahren eine Erhöhung von derzeit 5,6 auf 5,9 Prozent des BIP ergeben. Die ganze Aufregung also wegen - statistisch ohnedies nicht abgesicherter - 0,3 Prozent! Von einer „Explosion" der Pensionskosten kann also keine Rede sein.

Die Liste der Ungereimtheiten lässt sich aber nahezu beliebig verlängern, solange der Streit um die Ziffern von Eurostat oder Statistik nicht endlich beigelegt wird und die Experten sich weiter nach Gutdünken mal der einen, mal der anderen Quelle bedienen.

Zur Illustration: Im oben erwähnten Gutachten wird etwa auf Grund von Zahlen von Eurostat mit der Annahme operiert, die Zuwanderung werde von dzt. 35000 bis 2030 auf 31.500 abnehmen, während die Statistik Austria von einer Absenkung auf 20.500 ausgeht, was immerhin eine Abweichung von 50 % dieser beiden Annahmen bedeutet.

Oder: Die Lebenserwartung einer 65-jährigen Person beträgt nach Eurostat 2008 18,7 Jahre und steigt bis 2060 auf 22,8 Jahre. Die Statistik Austria hingegen geht von einer Lebenserwartung von 19,2 Jahre (2008) aus, die bis zum Jahre 2060 auf 24,6 Jahre steigen wird ...

Je nachdem, welche Statistik man verwendet, kommen dann natürlich jeweils gänzlich verschiedene Prophezeiungen heraus.

Mit Zahlen lässt sich eben trefflich streiten, man muss sie nur einzusetzen wissen und sich Schätzungen aussuchen, welche die gewünschten Prognosen erbringen - Langzeitprognosen gibt es in Wahrheit nicht wirklich. Es sind alles Vorhersagen nach dem Muster : "wenn - dann." Worauf man nicht wirklich einen Reformauftrag gründen kann. Tut man es dennoch, stützt man sich nicht auf unbestreitbare Fakten", sondern taumelt ins Larifari.