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Friedlicher Waldbewohner mit fleischlichen Gelüsten oder ein Problem für Mensch und Tier? Am Braunbären scheiden sich die Geister. Fakt ist, dass ein neuerliches Aussterben des Raubtieres bevorsteht

Foto: APA/Dominic Favre

Im vergangenen Jahr verweigerte man ihm ein slowenisches Weibchen, jetzt hat Braunbär „Moritz" die steirischen Weidmänner am Pelz. Schuld ist ein Besuch in einem Rotwild-Gehege auf dem Dachstein-Plateau - Von Walter Müller, Markus Rohrhofer

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Linz/Graz - Allein und unbewaffnet wandert Alfred Percht derzeit nicht durch das Gebiet rund um die sogenannte Rasslalm im steirischen Salzkammergut nahe Bad Mitterndorf. Das Fürchten lehrt dem pensionierten Aufsichtsjäger derzeit der siebenjährige "Moritz". Dieser ist vor zwei Wochen aus seiner Winterruhe erwacht und hat, ganz seinem Naturell entsprechend, einen Bärenhunger. Und auf dem Menüplan des Braunbären, neben seinem Vater „Djuro" der letzte seiner Art in den nördlichen Kalkalpen, steht derzeit Rotwild, serviert auf dem Dachstein-Plateau auf gut 1400 Metern Seehöhe. 

Tiere vor Panik aus dem Gehege ausgebrochen

Rund 130 Stück Rotwild befanden sich zumindest bis vor kurzem noch in dem 30 Hektar großen Gehege. Seit der vergangenen Woche fehlt ein kapitaler Hirsch. Der Zwölfender nahm sein letztes Abendmahl bei einer tiefverschneiten Futterkrippe im Gehege, ebendort lauerte „Moritz". „Innerhalb von nur drei Tagen hat der Bär den Hirsch gefressen. Und die anderen Tiere sind vor lauter Panik aus dem Gehege ausgebrochen", ärgert sich Percht, der die Fütterung beim Gehege über hat. Ein Teil des Wildes sei mittlerweile wieder zurückgekehrt, weigere sich aber, das Gehege zu betreten. Der hohe Zaun rund um das Rotwild-Gehege stellte übrigens für den hungrigen Bären witterungsbedingt kein Problem dar. Bis zu drei Meter Schnee erleichterten den Gang zum "Buffet".


Steirer bleiben skeptisch

Und der Jäger hegt noch einen weiteren Verdacht. Percht: „Beim Einstand der Tiere, einem dichten Waldstück, kreisen schon seit Tagen Raben. Das deutet auf Aas hin." Einen Lokalaugenschein hätten bis dato aber die Schneemassen verhindert. „Moritz" selbst scheint sich seine Futtersuche im hohen Schnee offensichtlich ziemlich leicht zu machen. Percht: „Er benutzt nur die Skidoo-Spuren der Jäger." Erschießen würde der Jäger den seltenen Waldbewohner aber nur im äußerten Notfall. „Ich bring den nicht zur Strecke, den Ärger brauch i wirklich nicht." Aber der Bär müsse weg: „Narkotisieren und weit weg vom Gehege. Mei Hirsch is ka Bären-Jausn."

Kaum Unterstützung für das Bären-Ansiedlungsprojekt

Für Bärenanwalt Georg Rauer keine Lösung: „Man würde einen Präzedenzfall schaffen. Bei der kleinsten Schwierigkeit kommt der Bär weg." Und der Wildbiologe nimmt seine Anwaltspflichten ernst: „Eigentlich hat Moritz nichts getan. Der Bär ist ein Opportunist: Sobald es eine Chance gibt, nimmt er sie wahr."
Aus der Steiermark ist nach wie vor kaum Unterstützung für das Bären-Ansiedlungsprojekt zu erwarten. Die Skepsis sei, wie sich jetzt gezeigt habe, berechtigt gewesen, heißt es im Büro des Agrarlandesrates Hans Seitinger. Man habe von Beginn weg gewarnt, dass der geografische Raum in der Steiermark für die Bären zu eng sei. „Die Bären wandern entweder ohnehin weg oder kommen, wie in Aussee, der Wohnbevölkerung sehr nahe", argumentiert Seitingers Sprecherin Sonja Lackner. Es gebe „bessere Plätze" in Europa für eine Wiederansiedelung von Bären.

Bedenken der Bauern

Umweltlandesrat Manfred Wegscheider zeigt zwar grundsätzlich Sympathien für das Bärenprojekt, scheiterte bei zwei „Bärengipfeln" aber an den Mitspielern. Die Bedenken der Bauern, Grundbesitzer und Jäger sei zu groß gewesen. (Walter Müller, Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 26.3.2009)