Auf insgesamt sieben Etagen zeigt das Museum an die 2.000 Objekte. Obskure Möbelstücke,...

Foto: Musée de L'erotisme
Foto: musée de l'érotisme

...Fotografien aus den 1945er Jahren...

Foto: musée de l'érotisme

Einiges steht zum Verkauf.

Foto: musée de l'érotisme

Die Zeitreise beginnt unauffällig, fast beiläufig. Wer sich abseits der ausgetretenen Tourismusschneisen in das Stadtdickicht von Paris mit engen Gassen, idyllischen Plätzen und stilvollen Winkeln schlägt, findet zwischen zwei Altstadthäusern am Fuß des Montmartre das Musée de l'érotisme.

Zwischen Place Pigalle und Moulin Rouge

"In Paris gibt es einige Paris, die mehr sind als andere", bringt es der 1980 verstorbene französische Autor und Journalist Max-Pol Fouchet auf den Punkt. Das Museum mit den zwei Eingängen - eine Tür zum Shop, eine zur Ausstellung - liegt unweit der großen Flaniermeilen rund um das Rotlichtmilieu. Nur wenige Gehminuten entfernt streckt sich die Windmühle des Moulin Rouge in den Himmel, protzen einschlägige Etablissements mit ausladenden Dekorationen und sprinkelnden Leuchtreklamen. Aus Öffnungen zwischen Gehsteig und Straße rinnt unaufhörlich Wasser und spült Schmutz in Rinnsteinen ins Nirgendwo. Ein Hauch von Morbidität, von verruchtem, aber auch künstlerischem Flair.

Dass Sex und Erotik gerade an diesem Ort zur Schau gestellt werden, ist keine allzu große Besonderheit. Die Sammlung des Musée de l'érotisme allerdings schon: In dem Gebäude nahe der Place Pigalle findet der Besucher auf drei ober- und vier unterirdischen Etagen eine riesige Sammlung an erotischen Gegenständen aus aller Welt, insgesamt mehr als 2.000 Objekte, die bis ins zweite Jahrhundert zurückgehen - darunter Fruchtbarkeitsobjekte aus Asien und Südamerika sowie eine umfangreiche Fotosammlung über die Geschichte der Prostitution in Paris. Bilder, die dokumentieren, dass es bis ins 19. Jahrhundert in der Stadt noch recht mittelalterlich aussah. Dreck und Fäkalien auf den ungepflasterten Straßen hatten Paris nicht nur mehrere Cholera-Epidemien beschert, das Leben in der französischen Hauptstadt war lebensgefährlich, das der Prostituierten erst recht.

Der Geschäftsführer des Museums ist ein - beunruhigend dürrer - alter Mann in Mantel und mit großem Hut. Er steht an der Kassa und beobachtet die Eintretenden sehr genau, Blickkontakt vermeidet er. Sanfte Musik seufzt in allen Stockwerken. Die Wände sind zum Teil in rotem Stoff ausstaffiert, ein Geschoß bietet 30-minütige Erotikfilme aus den 1930er Jahren an. Männliche Besucher vermitteln den Eindruck, wie zufällig in der Nähe der drei Bildschirme zu stehen, während sie vorgeben, die Fotografien an der Wand zu fixieren, andere Stockwerke hingegen sind fast menschenleer.

"Jedes Bordell ist teurer"

"Seit der Krise kommen deutlich mehr Besucher zu uns", lässt sich der Hut-Mann abringen. "Wir kosten nur acht Euro, jedes Bordell ist teurer. Außerdem kann man bleiben, solange man will."

Neben der permanenten Ausstellung in den unteren Räumen dokumentieren die Gegenstände treppauf das Verhältnis zwischen Religion und Sex, geben Aufschluss über erotische Rituale, beschreiben den Stellenwert der Erotik in den verschiedenen Kulturen. So erfährt der Besucher beispielsweise, dass der Brustumfang einer jungen Frau in Ozeanien etwas über ihre Tugendhaftigkeit aussagt: Je größer, desto weniger Zweifel besteht an ihrer Jungfräulichkeit. In der Vorstellung des Japan des vorletzten Jahrhunderts erreicht man eine ausgeglichene Balance zwischen Geist und Körper nur über den Sex. Entsprechend tabulos muten die in diversen Liebesakten und -Stellungen ausgestellten Figuren an. Skurrilitäten wie diverses Sex-Mobiliar oder -Zubehör dürfen auch berührt werden.

Dass verschiedene Objekte der Ausstellung auch zu kaufen sind, erstaunt kaum, ebenso wie die langen Öffnungszeiten: Mit sieben Tagen die Woche von 10 bis 2 Uhr morgens seien diese „für ein Museum weltweit einzigartig", bekräftigt der Mann - der Geschäftsführer, der seinen Namen nicht nennen will, und nickt süffisant mit dem Kopf. (Sigrid Schamall, der Standard.at, 25.3.2009)